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CD-Verleih bald verboten

■ Plattenfirmen setzen sich gegen Konkurrenz durch / Verleiher stinksauer

Den CD-Verleihern geht es im kommenden Jahr an den Kragen. Wenn zum 1. Januar 93 über die Einführung des Binnenmarktes EG-Recht bindend wird, bedeutet das das Aus für den CD-Verleih. Eine neue EG-Richtlinie schreibt fest, daß das Recht zum Verleih allein bei den Plattenfirmen liegen soll, die schon seit Jahren gegen die Verleiher kämpfen. Noch ist die Richtlinie nicht vom Europäischen Parlament verabschiedet, aber es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann auch die Bremer Verleiher ihre Pforten schließen müssen.

„Über uns ist das Urteil schon gesprochen“, weiß Andree Schmidt von Sound City. „Es geht nur noch um Fristen.“ Der Verleih am Buntentorsteinweg ist mit 8.000 bis 9.000 Titeln der größte in Bremen. Schmidt kann die Vehemenz nicht verstehen, mit der die Plattenindustrie das faktische Verleih-Verbot durchgesetzt hat. „Die Industrie fährt mittlerweile mit den CDs mörderische Gewinnspannen ein, und dann machen die so nen Larry.“ Die Produktionskosten einer CD, so Schmidt, lägen mittlerweile bei 20 bis 30 Pfennig pro Stück, die Herstellung einer LP koste rund dreimal so viel. Bei konstant gestiegenen Umsätzen beim CD- Verkauf könne man kaum von Einbußen durch den Verleih sprechen. Schmidt verdient neben dem CD-Verleih sein Geld mit Videos und Hi-Fi-Geräten. „Wir werden nicht gerade wegen Armut sterben“, sagt er. „Aber bitter ist es schon.“

Härter trifft es da schon das Phonodrom im Steintor. Jörg Wegener vom kleineren Bremer Verleiher ist erst seit sieben Monaten am Markt und schon droht ihm das Aus. „Wenn ich bald zumachen muß, dann ist meine Existenz zerstört“, sagt er resigniert. Ihn trifft das Ende noch mitten in der Aufbauphase. „Ich habe in den letzten Monaten 60 Stunden in der Woche gearbeitet. Selbst wenn ich ohne Schulden da wieder rasukomme, dafür hat sich der Aufwand nicht gelohnt.“ Wie sein Buntentorscher Kollege ist auch Wegener stinksauer auf die Plattenindustrie. Wenn überhaupt, dann seien die Gewinneinbußen bei weitem nicht so groß wie behauptet. Die CDs hätten in den letzten Jahren ihren Siegeszug nicht nur trotz, sondern auch wegen der Verleiher geschafft. Erst durch den Verleih sei für viele erst ein CD-Player sinnvoll und die Musik erschwinglich geworden. Wegener: „Oft ist es so, daß die Leute erst die CD ausleihen, und wenn sie die dann gut finden, dann kaufen sie sie auch.“

Bernd Link von 'Ear' kann das nur bestätigen. Der Plattenladen im Steintor liegt genau gegenüber dem Verleih. „Bei uns hat sich der Verleih nicht negativ ausgewirkt“, sagt Link. „Im Gegenteil: dadurch bekommen wir neue Kunden.“ Viele Käufer hätten die Platte zuerst ausgeliehen. Link: „Auch wenn die Leute die geliehene Musik in erster Linie aufnehmen, die ein bis zwei CDs pro Monat kaufen sie trotzdem.“ Er findet es bedauerlich, daß der Verleih in absehbarer Zeit zumachen muß: lieber mit zwei bis drei Anbietern auf dem Steintor als alleine, meint er. „Der Verleih belebt das Geschäft.“

J.G.

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