piwik no script img

ABM-Politik ohne Perspektive

■ Arbeitsgruppe vor neuen Problemen / Uhl entzieht sich der Verantwortung

Täglich spricht die große Firma ABM, Sitz beim Arbeitsamt, Entlassungen aus. Und allmählich erreichen die ersten Folgen des großen Projekte-Sterbens auch breitere Kreise der Bremer Bevökerung. Seit die Recycling-Höfe in Oberneuland und Hemelingen in der vergangenen Woche wenigstens vorläufig ihre Türen schlossen, klingelt bei den Mitarbeitern von Umweltsenator Ralf Fücks ständig das Telefon. Erboste BremerInnen wollen nicht verstehen, daß der Weg in die ökologische Abfallwirtschaft mit dem Schließen der Recycling-Höfe beginnt. Umweltpressesprecherin Barbara Schulte bleibt nichts anderes übrig, als die Verantwortung für das ABM-Ende an die Bundespolitik weiterzureichen: „Was jetzt passiert, können wir mit unseren Mitteln unmöglich auffangen. Der Müll gehört denen in Bonn vor die Füsse gekippt.“

Von den 4.000 Bremer ABM- Stellen werden Ende des Jahres noch etwa 1.500 übrig geblieben sein. Für Akademikerstellen, bleiben gar nur 120. Von diesen 120 Stellen hat sich die Arbeits- und Frauensenatorin Sabine Uhl erst einmal 40 Stellen für Beschäftigungs- und Fraueninitiativen abgezwackt. Und mit der Verteilung des restlichen Mangels tut sich die eigens vom Senat eingesetzte ABM-Arbeitsgruppe schwer. Zwei Beispiele:

Im Bereich Soziales und Gesundheit waren bislang etwa 230 BremerInnen über ABM für Initiaven tätig. Künftig werden es noch 28 sein. Die Krabbelgruppen gehen leer aus. Im Bereich Umweltschutz und Stadtentwicklung waren es 67 AB-Stellen, bleiben werden neun.

In einem ersten Schritt hat die Arbeitsgruppe inzwischen geklärt, welche Initiativen mit den ABM-Resten bedacht werden. Der zweite, noch schwierigere Schritt steht noch aus. Denn am 17. März hatten die Grünen im Senat durchgesetzt, daß für unverzichtbare Projekte ein Projektmitteltopf im Haushalt eingerichtet wird.

Nun muß zunächst einmal in der Arbeitsgruppe geklärt werden, welche Projekte unverzichtbar sind. Dazu muß geprüft und gegenprüft werden. Motto: Was ist wichtiger, die Aktionskonferenz Nordsee, die Suchtberatung oder die Eltern-Kind-Gruppen. Dabei bewegt sich die Arbeitsgruppe auf dünnstem Eis. Denn das Volumen des Projektmitteltopfes will der Senat erst dann bestimmen, wenn festgelegt ist, welche Projekte „unabweisbare Aufgaben“ erfüllen. Angesichts der Finanznot rechnen Mitglieder der Arbeitsgruppe damit, daß der Senat das Papier mit der Aufforderung „Abspecken!“ zurückgeben wird. Denn inzwischen bedrohen weitere Finanzrisiken die Haushaltsplanung für 92/93. Rund 20 Millionen Mark müssen für den in dieser Höhe nicht einkalkulierten Tarifabschluß im öffentliochen Dienst zusammengekratzt werden. Wo, weiß niemand.

Wer zahlt die Projekte?

Zudem haben Mitglieder der Arbeitsgruppe einen weiteren ABM-Pferdefuß entdeckt. Denn es sieht so aus, als würden auch die sogenannten „Mittelbau-Stellen“ drastisch gekürzt. Dies sind Stellen von Verwaltungsfachkräften oder BuchhalterInnen, die nicht akademisch gebildet sind. Wenn auch diese Stellen aus dem Projektmitteltopf bezahlt werden müssen, bricht die gesamte bisherige Planung zusammen.

Völlig unklar ist auch noch, aus welchen Haushaltstöpfen die Projektmittel kommen sollen. Die Arbeitssenatorin hat bereits signalisiert, daß ihr Interesse, ABM-Politik federführend zu gestalten, gegen Null geht. Die Ressorts seien jetzt für ihre jeweilige Klientel zuständig, so Uhl jüngst in der Deputation. Auch die Finanzfrage will sich das Arbeitsressort nicht mehr ans Bein binden lassen. „Woher soll das denn kommen?“, lautet die rhetorische Gegenfrage des Uhl-Sprechers Jörg Henschen. Fix war das Arbeitsressort lediglich, als es darum ging, ABM-Akademikerstellen, die danach zu Dauerarbeitsplätzen werden, abzuzwacken. 27 dieser Stellen, so ist zu hören, bleiben im Hause Uhl. 20 hat sich das Kulturressort gesichert. Bleiben 3 für alle anderen.

Und noch ein letztes Problem wird im Senat noch für schäumende Wellen sorgen. Wenn nicht Uhl, wer zahlt dann in den Projektmitteltopf? Möglicherweise müssen die jeweils federführenden Ressorts für ihre Klientel zahlen, doch dann bleibt die Frage, ob sie dieses Geld über zusätzliche Einsparungen hereinholen müssen oder ob der Finanzsenator bereit ist, zusätzliche Kredite für die Rettung der Projekte aufzunehmen. All dies weiß auch die federführende ABM-Arbeitsgruppe nicht, und so stöhnen manche laut: „Das Wälzen der Papierberge ist unglaublich kleinschrittig und ohne eine Perspektive. Die politischen Entscheidungen sind überfällig.“

Doch damit will sich der Senat bis Anfang Juni Zeit lassen. Bis die Entscheidungen dann durch die Bürgerschaft abgesegnet sind, geht der Sommer zu Ende. Und bis dahin werden zahlreiche Projekte ihre Arbeit eingestellt haben. Unabweisbar. Holger Bruns-Kösters

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen