Send him back to Tijuana

■ Challengers besiegen im Spitzenspiel der Baseball-Bundesliga die Cologne Cardinals 11:2

„The sun came out today; We're born again; There's new grass on the field; A-roundin' third and headed for home; Anyone can understand the way I feel; Put me in Coach; I'm ready to play today; Look at me; I can be centerfield. („Centerfield“ von John Fogerty).

Charlottenburg. Die Sonne kam erst zum Schluß heraus, als der Sieg der Challengers schon so gut wie feststand, und auch das Gras war nicht das neueste, aber John Fogerty hätte seine Freude am Aufeinandertreffen der beiden Favoriten aus der Bundesliga Nord gehabt. Zwar spielen in dieser Saison die jeweils sechs Mannschaften der beiden Ligen gleich dreimal gegeneinander, aber die Berlin Challengers verloren überraschend ihr erstes Heimspiel gegen die Lokstedt Stealers und mußten nun gegen den bisher ungeschlagenen Tabellenersten Cologne Cardinals schon gewinnen, um nicht frühzeitig den Kontakt zur Spitze zu verlieren.

Der Beginn war für die Berliner wenig vielversprechend. Gleich im ersten inning konnten die Kölner einen run landen, aber die Challengers punkteten zweimal, und der pitcher der Cardinals traf im weiteren Verlauf die strike-Zone eher unregelmäßig, was seinen catcher, der den wild umherspringenden Bällen nachhasten mußte, mehrmals dermaßen erboste, daß er erzürnt zum Wurfhügel schritt und seinem unglücklichen pitcher eine kräftige Standpauke hielt. Im großen und ganzen machten die Cologne Cardinals ihren Namensvettern aus St.Louis keine Ehre, griffen an den einfachsten Bällen vorbei und warfen so ungenau, daß sie sich die errors kübelweise einhandelten.

Ganz anders die Berliner. Vor allem pitcher Moritz Hillebrand warf die Kardinäle reihenweise aus, mußte nur im sechsten inning noch einen run zulassen und spielte das ganze Spiel durch, was durchaus nicht normal ist, weil ein Werfer durch die arge Belastung seines Wurfarmes spätestens nach dem siebten inning üblicherweise nachläßt. Nationalspieler und Student Hillebrand stellte nicht nur die Kölner batter vor Probleme, die sie an diesem Nachmittag nicht lösen konnten, sondern schlug selber hervorragend — auch ungewöhnlich, weil pitcher meistens mit der Keule nicht die Besten sind. Auch der vom Nachbarn prophezeite Durchhänger von Hillebrand im siebten inning blieb aus: Statt dessen konnte kein einziger Kölner überhaupt die erste base erreichen, zwei kamen nicht mal an den Ball, und selbst am Schlag in diesem siebten inning traf Hillebrand so gut, daß er bis auf die zweite base kam.

Die Berliner punkteten mit so schöner Regelmäßigkeit, daß überhaupt keine Spannung aufkommen wollte, und vor dem neunten und letzten inning lagen sie mit 11:2 vorne. Der pitcher der Cardinals war längst wegen Erfolglosigkeit ausgetauscht worden, nur Hillebrand warf immer noch. Sein erster Ball landete zwar auf dem Rücken des Kölner batters , welcher als Wiedergutmachung prompt zur ersten base vorrücken durfte, doch die nächsten drei Schläger der Cardinals waren schnell aus und damit auch das Spiel.

So spannungslos wie das Match, so entspannt war die Stimmung unter den rund 150 ZuschauerInnen. Während eines zehnminütigen Regengusses versammelten sich alle friedlich unter den schützenden Bäumen, und anschließend konnte der Herr Nachbar unter seiner Baseballmütze uns weiter ins diffizile Regelwerk einweisen: Er erzählte vorzugsweise, was wir schon wußten, weil er uns als Erstzuschauer identifiziert glaubte, und tätschelte begeistert bei jedem run meine linke Schulter. Auch ansonsten vermischte sich dat Berlinerische aufs vortrefflichste mit amerikanischer Lebensart. Die Zurufe changierten zwischen „Schönet Ding“ und „Send him back to Tijuana“, und wir tranken Coca- Cola. Aber am Würstchenstand gab es nur Hamburger, die Hotdogs fehlten ganz eindeutig, und das beschäftigte die Zuschauer wesentlich intensiver als die zwischenzeitlich auf den Rängen kursierenden Meldungen vom Fußball. to