: Wird Stuttgart die Fusion bezahlen?
■ Regierungskommission berät über Vereinigung von Berlin und Brandenburg/ Im gemeinsamen Haushalt würden nach Wegfall des Berliner Stadtstaatenprivilegs 18,8 Milliarden Mark fehlen
Berlin. Berlin und Potsdam betteln jetzt gemeinsam. Als sich die Berlin- Brandenburger Regierungskommission gestern abend im Potsdamer Schloß Lindstedt versammelte, war auf beiden Seiten eines klar: Ein gemeinsames Land werde es nur dann geben, wenn es finanziell nicht schlechter dasteht »wie zwei getrennte Länder«. Diese Position, die seit geraumer Zeit von dem brandenburgischen Finanzminister Klaus Kühbacher (SPD) vertreten wird, hat jetzt auch auf Berliner Seite Fuß gefaßt. Wenn Bonn und die westdeutschen Länder Berlin nicht für den Verlust des Stadtstaatenprivilegs entschädigen, werde die Fusion »nicht zustande« kommen, sagte gestern Senatssprecher Eduard Heußen.
Der Regierungskommission, die unter dem Vorsitz des Berliner Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) und des brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) tagt, liegt ein brisantes Papier der Finanzverwaltungen beider Länder vor. Danach würde die Kommune Berlin ein vereinigtes Land mit einem Defizit von 18,8 Milliarden Mark belasten. Die Finanzbeamten hatten die Berliner Ausgaben und Einnahmen in einen Landes- und einen Kommunalanteil aufgetrennt und daraus für eine fiktive »Kommune Berlin« ein 12,5-Milliarden-Loch errechnet. Aus den Landesaufgaben, die auf das gemeinsame Bundesland übergehen würden, entstünde ein Defizit von 6,3 Milliarden.
Allein der Verlust des Stadtstaatenprivilegs würde die Stadt, wie berichtet, beim Länderfinanzausgleich etwa 3,6 Milliarden kosten. Hier müßten nicht nur die westdeutschen Bundesländer, sondern auch Bonn Ausgleichszahlungen leisten, sagte Kühbachers Planungsbeauftragter Klaus Feiler gestern zur taz. »Wir müssen jetzt auf den Bund zugehen«, darin seien sich Kühbacher und sein Berliner Amtskollege Elmar Pieroth (CDU) einig. Strittig ist dagegen, wie die knappen Finanzmittel in einem gemeinsamen Bundesland gerecht verteilt werden können. Das, so Feiler, werde in den nächsten Wochen und Monaten »das beherrschende Thema« der Verhandlungen zwischen Berlin und Potsdam sein.
Die Verhandlungen mit Bonn und den westdeutschen Ländern könnten durchaus Erfolg haben, glaubt man im Roten Rathaus. »Auch andere Bundesländer haben die Hoffnung, daß die Fusion bei uns funktioniert«, sagte Senatssprecher Heußen. Berlin und Brandenburg könnten das Vorbild für weitere Länderfusionen sein.
In Westdeutschland werde es aber auch Widerstände geben, warnte Feiler. Schon das bestehende Stadtstaatenprivileg stoße in Baden-Württemberg — das Hauptfinanzier des Länderfinanzausgleichs ist — »auf große Skepsis«. In diese Kerbe hieb gestern auch Michaele Schreyer, die finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Grüne. Auf ein Weitergelten des Stadtstaatenprivilegs zu hoffen, wäre »eine Illusion«, erklärte Schreyer.
Der Streit ums Geld könnte langwierige Beratungen der Regierungskommission provozieren, prophezeite Manfred Stolpe am Wochenende. In Berlin glaubt man eher an ein frühes Ende: Die Senatoren müssen zurück in den Wahlkampf. hmt
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