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"Mein Schwanz gehört mir"

■ betr.: "taz nich schwanz-o-phil", taz vom 11.5.92

betr.: „'taz‘ nicht schwanz-o- phil“, taz vom 11.5.92

Liebe Leute, meine schwarze Hündin (die mit den dunkelblauen Augen) meint zu mir, also da mußt du endlich mal was schreiben, oder du bestellst die taz ab. Was die nur gegen Schwänze hat. Ich: Wieso, was isn? Ja da, meint sie, schaltet auf Schmelzblick und wedelt mit ihrem na Ihr wißt schon. Seite 18 ehmt: 'taz‘ nicht schwanz-o-phil. Was soll das. Schwanz ab vielleicht? (Wedelt sichtlich empört mit ihrem na Ihr wißt schon). Ich: öh-hrrm, na ja, das ist, weißt du, —. Waff! Waff weißt du schon von Schwänzen! Die taz kann nicht einfach mein Recht auf Information verkürzen.

Ich: Mein liiieber Hund. Guck Dir doch nur das Foto an. — Wieso, waff hat denn das damit zu tun? — Ja ehmt, da is doch ein Stück vonnem Mann drauf, nich? — Aber das gehört doch nicht zu dem Text! Seit wann passen denn in der taz Fotos zum Text? Mein Schwanz gehört mir, ob er der taz gefällt oder nicht. Ich lasse mir meine kommunikative Kompetenz nicht beschneiden. Und die von meinen Freunden auch nicht. Ohne Schwanz keine Kommunikation. Entweder wird die taz schwanz-o-phil, oder du bestellst sie ab (wedelt noch heftiger mit ihrem na Ihr wißt schon, falls das geht).

Au weia, das war ultimativ. Jetzt muß ich ihr die reine Jauche einschenken. Du, also paßmalauf: Erstens is da nich dein persönlicher Schwanz gemeint. Und zweitens ist überhaupt nicht wirklich von Schwänzen die Rede. — So, von was denn dann? (legt mir die Schnauze aufs Knie und hat immer noch diesen Lötlampenblick. Hinten wedelt ihr na Ihr wißt schon.) — Also, das ist so — ähm — öh-hmm — du kannst mir wirklich alles sagen (Lötlampenblick auf sanfter Flamme); ich weiß doch, wie lange du die taz immer aufhebst.

Ja, also, du weißt doch, wie das ist mit Deinen Hundefreunden; ich meine, wenn du heiß bist und so. — Na ja, dann wollen die immer ran, das gehört eben dazu. Aber das machen die doch nicht mit dem Schwanz! — Genau. Aber die Menschen sprechen da nicht davon, weil sie das geniert. Und da nennen sie das, na du weißt schon, nennen sie eben Schwanz. Und da haben sie dann kein Problem und denken, das ist echt progressiv. Und das finden sie toll und auch ein bißchen aggressiv, werbemäßig, für diese Progressivität.

Ach so ist das, meint die Schwarze. Die sind prüde und meinen, sie wären nicht prüde, wenn sie ein unschuldiges Wort vergewaltigen. Und kommen sich schön schonungslos und aufgeklärt vor. (Nimmt den Kopf von meinem Knie und geht mit hängenden na Ihr wißt schon weg. Über die Schulter:) Sollen sich mal überlegen, was in ihnen und ihren LeserInnen vorgeht, wenn sie von Eurem menschlichen Liebesglied nur mit lächerlichen Hilfswörtern reden können. Bums. Das saß. — Darf ich trotzdem weiter die taz lesen? — Meinetwegen. Aber schreib denen, sie sollen sich nicht ins Hemd pinkeln. Geht übrigens auch nicht mitm Schwanz. Wolfgang Gerster, Braunfels

Mit einiger Verwunderung konnten wir in der taz-Ausgabe vom 11.5.92 feststellen, daß die taz so-phil-schwanz-Werbung zeigt. Ein Zeichen für uns, daß sie wirklich keine moralischen Probleme mit der Broschüre haben kann — zumindest nicht mit einer von neun Doppelseiten!

Nun fragen wir uns, warum die taz gerade diese Doppelseite veröffentlicht hat? Wir sind zu dem Schluß gekommen, daß möglicherweise dieser „fiktive Dialog“ sich nicht auf „Stammtischniveau“ bewegt und deshalb den LeserInnen zuzumuten war.

Hierzu ist im übrigen anzumerken, daß uns gegenüber die Veröffentlichung immer mit dem Argument, die Broschüre sei „umgekehrt sexistisch“, abgelehnt wurde. Um so mehr sind wir erstaunt zu erfahren, daß es „lediglich“ an den „bloßen Frechheiten“ und den „Sprüchen auf Stammtischniveau“ gelegen hat.

Bitte teilen Sie uns mit, ob wir mit unserer Einschätzung richtig liegen! Wenn dies der Fall sein sollte, müßten wir unsererseits allerdings an eine „Versteifung“ der Texte denken und würden dann gegebenenfalls noch einmal auf Sie zukommen. Binder und Partnerinnen,

Regina Sankowsky,

Annette Michael,

West-Berlin

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