: Schöne Fassaden für Ostdeutschland
■ Maler und Lackierer profitieren vom Aufbau in den neuen Ländern / Verfallene Bausubstanz bietet weites Betätigungsfeld/ Handwerker gegen Konkurrenz von Beschäftigungsgesellschaften
Bonn (dpa/taz) — Die Maler und Lackiererinnen malen die Zukunft ihrer Zunft in hoffnungsvollen Farben: in Westdeutschland wegen wieder gefragter Renovierung von Fassaden und Innenräumen und in Ostdeutschland wegen der verfallenen Bausubstanzen, die des Wiederaufbaus harren. Der Präsident des Hauptverbandes des Deutschen Maler- und Lackerierhandwerks, Paul Schnitker, forderte die Bundesregierung gestern vor der Presse in Bonn auf, in den neuen Ländern nicht immer neue Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) zu beschließen, die den Handwerksbetrieben Konkurrenz machten.
Das Handwerk könne diesen ostdeutschen Markt der Renovierung und Instandsetzung nicht anderen überlassen, sondern wolle selbst neue stabile Arbeitsplätze schaffen. Entsprechende Rahmenbedingungen für Unternehmergeist im Handwerk, das sich als Konjunkturlokomotive für Ostdeutschland sehe, seien für den Aufschwung in den neuen Ländern mindestens ebenso wichtig, sagte Schnitker. Für Westdeutschland forderte er die staatliche Förderung von Wärmedämm-Maßnahmen.
Die insgesamt fast 37.000 Betriebe des deutschen Maler- und Lackiererhandwerks erwirtschafteten 1991 mit 200.000 Beschäftigten einen Jahresumsatz von rund 18 Milliarden DM. Schnitker nannte dies „ein sicheres Fundament für eine weitere stabile Entwicklung“. Sein Zweig werde nur gedämpft von den Auf- und Abschwüngen der Baukonjunktur getroffen, da er 80 Prozent des Umsatzes durch Instandsetzungsaufträge erziele. In den alten Ländern erzielten 31.850 Betriebe mit 176.850 Beschäftigten einen Umsatz von 16,5 Milliarden DM. Bei einem nominalen Zuwachs von 6,4 Prozent und durchschnittlichen Malerpreissteigerungen entspreche dies einer realen Stagnation. In den neuen Ländern erwirtschafteten rund 5.000 Betriebe mit 25.000 Beschäftigten 1,6 Milliarden DM Umsatz. Von über 29.000 Maler- und Lackiererlehrlingen kommen 5.502 aus den neuen und 23.527 aus den alten Ländern. Im Osten kann jede freie Lehrstelle besetzt werden. Im Westen gibt es dagegen fast 10.000 offene Ausbildungsplätze.
Europas Bauwirtschaft in „tiefer Flaute“
Außer dem Aufschwung für die Fassadengestalter sieht sich die Bauwirtschaft europaweit in einer „tiefen Flaute“, von der bislang lediglich die westdeutsche und die portugiesische Bauwirtschaft verschont seien. Wie der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie gestern in Bonn mitteilte, rechnet er im laufenden Jahr EG-weit mit einem Rückgang des realen Bauvolumens um etwa 0,5 Prozent. Dagegen sei in Westdeutschland mit einem Plus von zwei (Vorjahr: vier) Prozent zu rechnen, stellte der Verband fest. So sei das Bauvolumen in den Niederlanden mit minus 5,7 Prozent rückläufig, in Großbritannien seien minus 3,6 Prozent zu erwarten, in Irland minus 2,2 Prozent, in Dänemark minus 2,0 Prozent und in Spanien minus 1,0 Prozent. In Frankreich (- 0,2 Prozent), Italien (- 0,4) und Belgien (-0,6) werde das Bauvolumen stagnieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen