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„Schöne Musik gibt's nicht!“

■ taz-Gespräch mit dem berühmten Cellisten und Feinschmecker Siegfried Palm

Er ist Professor, fast 65 Jahre und ein berühmter Cellist mit steiler internationaler Karriere: Siegfried Palm. Heute abend spielt er auf Einladung der Beethoven-Gesellschaft zusammen mit dem Pianisten Günter Ludwig klassische und Neue Musik. Die taz erreichte Palm für ein Telefongespräch in einem Münchener Hotelzimmer.

taz: Zuerst eine etwas persönliche Frage: Schreibt der berühmte Cellist Palm tatsächlich zuweilen übers Essen und Trinken?

Ja! Für den „Feinschmecker“, jetzt gerade in der Mai-Nummer hab ich über Paris geschrieben, über die Musikszene dort und über Restaurants.

Dann stimmt womöglich die Anekdote, daß Sie in einem früheren Bremer Konzert Durst hatten, ein Glas Wasser angeboten bekamen und sagten: 'Ich will mir doch nicht die Hände waschen!“

Haha, ja, das kann gut sein!

Sie spielen auf einem Cello von 1708 — geht das auch für die moderne Musik, zu der Sie so einen besonderen Hang haben?

Siegfried Palm: Ja. Ausschließlich, weil man für Neue Musik das Beste braucht.

Und die Bogenform und die geringere Spannung der Saiten...

Das ist eine ulkige Frage! Diese Spannung der Saiten gibt es seit 100 Jahren...

Sie wollen nicht auf dem Originalinstrument mit besonderem Bogen und Saiten historisch „authentisch“ spielen, wie das viele Künstler anstreben?

Sollen sie doch — ich halte das für Blödsinn.

Wann haben Sie mit Neuer Musik angefangen?

Spät, das war 1953, mit einem Konzert von Winfried Zillig, einem Schönberg-Schüler. Dessen Cello-Konzert hab ich '53 in Stuttgart uraufgeführt. Das war meine erste große Berührung mit Neuer Kammermusik, als Solist.

Sie werden in Bremen auch Beethoven spielen — gelten da andere Spiel-Regeln?

Das ist für mich kein Unterschied.

Gerade Beethoven, der bei manchen Zeitgenossen als unspielbar modern galt?

Nein, kein Unterschied überhaupt in der Spielweise bei Neuer und älterer Musik — wenn ich sie mag. Es gibt ja bei klassischer und romantischer Musik unendlich vieles, was mich langweilt.

Brahms auch?

Nein!! Aber Rachmaninow, da schlaf ich sofort ein.

Sie galten lange als einziger Cellist, der die Zimmermann-Sonate aus dem Jahr 1960 überhaupt spielen konnte. Haben Sie gezaubert, zehnmal soviel geübt, hatten Sie besonderen Mut?

Nein, ich hatte eben eine besondere Begabung dafür, vielleicht.

Der Bremer Komponist Jens-Peter Ostendorf hat für Sie ein Stück geschrieben, mit einer Stelle, wo alle 4 Saiten zugleich zu spielen sind. Das geht doch gar nicht!

Nein, das mach ich auch nicht. Dazu bräuchte ich einen sehr alten Gambenbogen, der aussieht wie eine Art Flitzebogen. Wenn man den bis zum Konzert nicht noch besorgen kann, dann geht es nicht.

Finden Sie moderne Musik richtig schön — oder hauptsächlich interessant?

Was heißt schön: Eine Frau kann schön sein, aber Musik doch nicht. Sie kann aufregend sein, gut, toll, langweilig, schlecht sein — „schöne“ Musik kenn' ich nicht. Fragen: Susanne Paas

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