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Hellersdorfer Keule und Kreuzberger Abwehrkampf

■ Die PDS führt zwei Wahlkämpfe/ Noch hält Gregor Gysi auseinanderdriftende Strömungen zusammen/ Einladung zum gemeinsamen Joint

Berlin. Was tun Linke, wenn sie aufeinanderstoßen? Sie reden über die Schlechtigkeiten der Welt; daran erkennen sie sich, und daran profilieren sie sich. Das Treffen der rund hundert Kreuzberger am Freitag abend im Oberstufenzentrum in der Wrangelstraße war eine linke Veranstaltung. Ein »Disput« war angesagt, einer der Wahlkampfhöhepunkte der Bezirks-PDS. Er widmete sich der Frage, »was das Gefährlichste oder Bedenklichste in dieser Stadt und in Deutschland ist«.

An den Antworten sollten die beiden »politischen Gegner« des Abends gemessen werden. Gegen den Bundesvorsitzenden der PDS, Gregor Gysi, trat das Mitglied des Landesvorstandes der Grünen, Jochen Esser, an.

Wer von den Antworten praktikable Entscheidungshilfe für die Bezirkswahlen erhoffte, sah sich enttäuscht. Wo der Grüne »die Versatzstücke der neoliberalen Wirtschaftspolitik der letzten zehn Jahre« schwinden sah, sah der PDSler »die Hegemonialbestrebungen Deutschlands in Europa« heraufziehen. Einig war man sich darin, daß die Situation schlecht sei und zu einer »Entsolidarisierung« führe. »Was wir jetzt als Linke führen«, so Gysis Lagebeschreibung, »ist ein reiner Abwehrkampf.« Dazu bräuchte es außerparlamentarische Initiativen. Applaus im Publikum. Man ist augenscheinlich unter sich und kann sich nun der Gretchenfrage der Linken widmen: Wie hältst du's mit dem Parlamentarismus? Am besten gar nicht, meint der Vertreter der gleichfalls anwesenden KPD/RZ, denn Parlamente seien Schrott und kosteten nur Geld. Statt dessen lädt er den PDS-Vorsitzenden zum gemeinsamen Jointrauchen ein. Der will jedoch lieber die Parlamente nutzen, um an Informationen zu kommen, und weil er die Erfahrung gemacht hat, daß »schon kleine Anfragen was verändern«. Das Publikum hat allerdings andere Erfahrungen gemacht und hält Esser den Polizeieinsatz der rot-grünen Landesregierung in der Mainzer Straße vor. Die AL habe, so eine Stimme, die für viele an diesem Abend spricht, die Linke entpolitisiert und demoralisiert.

Für Gysi ist das Anlaß zu betonen, daß die PDS »der schärfste Gegner der Aktion in der Mainzer Straße war«. Der Wahlprüfstein für die Kreuzberger ist gefunden. Den Kaulsdorfern präsentiert sich die PDS nicht »als kleine radikale Minderheit«, denn hier im Osten Berlins, weiß Gysi, »sind wir eine Mehrheitspartei«. Den Mehrheiten nähert sich der Vorsitzende am Samstag mittag mit einem feuerroten Trabi und einem Kremser voll Bezirkspolitiker. Gemächlich das Tempo, getragen die Musik. Wahlkampftour durch eine Mischung aus Vorgartenidylle und steriler Plattenbauweise. Hier heißen die Viertel noch Kiekemal, und die sozialistischen Wahlkämpfer, adrett gekleidet, grüßen mit einem herzhaften »juten Morjen«. SPD und CDU warnen auf ihren Stelltafeln vor den Radikalen, doch davon fühlen sich die PDSler nicht angesprochen. Gysi ist der Star der Partei, sein Konterfei strahlt von den Plakaten, von »Radio Hellersdorf« erklingt die Aufforderung »take it Gysi«, und die Parteipoeten reimen wie in früheren Zeiten: »Hellersdorf wär' Gregors Keule, damit schlüg' er manche Beule Bonner Häuptern, Bonner Tröpfen, Sterne funkelten den Köpfen.« Doch bei den Hellersdorfern finden die martialischen Stoppelverse keinen Anklang; sie nehmen von der »PDS-Karawane« kaum Notiz, wie sie auch die Stände der anderen Parteien ignorieren. Gysi weiß, daß die Menschen im Osten »ratloser und verzweifelter« sind und noch der »Illusion, über die Parlamente was zu verändern«, aufsitzen. Außerparlamentarische Aktion sei »eine Sache, die sie lernen müssen«. Der Lerneifer hält sich in Grenzen. Zwischen Kreuzbergern und Kaulsdorfern liegt der Spagat der PDS. Da er von ersteren nicht erwarten kann, »daß sie sich einer originären Ost-Partei anschließen«, hängt, nach Gysis Einschätzung, das weitere Überleben von letzteren ab. Die PDS bleibe eine Lokalpartei des Ostens, wenn es ihr nicht gelinge, die ostdeutschen Probleme zu gesamtdeutschen zu machen.

Doch stagniert das Vorhaben; Traditionssozialisten hüben und linke Strömungen drüben stehen sich wenig versöhnlich gegenüber. Das innere Band, das sie zusammenhält, heißt lediglich Gregor Gysi. Die Bezirkswahlen sind auch ein Testballon für ren Zustand der Partei. Dieter Rulff

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