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Folklore oder Faschismusforschung

■ Bürgerinitiative fordert Räume für »Topographie des Terrors« im Deutschlandhaus, Sitz der Vertriebenen/ Bergmann unterstützt Anliegen

Kreuzberg. Schautafeln zum Naziterror statt schlesischen Trachtenpuppen? Die Berliner Vertriebenenverbände im »Deutschlandhaus« am Askanischen Platz in unmittelbarer Nähe des Gestapo-Geländes sollen Platz machen für die »Topographie des Terrors«. Das jedenfalls fordert der Verein »Aktives Museum Faschismus und Widerstand« in drei Briefen an Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD), Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) und Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU), deren Verwaltungen für die »Stiftung Deutschlandhaus« zuständig sind. Die Funktion der Vertriebenenverbände sei spätestens seit dem Anschluß von Freundschaftsverträgen mit Polen und der CSFR historisch genauso überlebt wie die öffentliche Finanzierung der Stiftung durch jährlich 2,5 Millionen Mark aus Bonn, so die Bürgerinitiative, die maßgeblich an der Sicherung des Gestapo-Geländes als »Denk-Ort« beteiligt war. Gleichzeitig aber suchten die MitarbeiterInnen der »Topographie des Terrors« händeringend nach einer Interimslösung für ihre Raumnot, zumal nach der Senatsplanung dort in drei Jahren die gleichnamige Stiftung eröffnet werden soll.

Arbeitssenatorin Bergmann hat bereits positiv reagiert: Sie will den Bundesinnenminister schriftlich bitten, ob nicht wenigstens ein Teil der Räume abgegeben werden könnte. Denn formal, erläuterte ihr Pressesprecher, besitze sie keine Zuständigkeit: Die 1952 unter der Trägerschaft der Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales gegründete »Stiftung Deutschlandhaus« — Zweck: »Pflege und Erhaltung des ostdeutschen Kulturgutes« — sei auch nur einer von mehreren Mietern im Haus. Vermieter sei der Bund.

Tatsächlich scheint das Gebäude, in dem das Modell einer trutzigen Wartburg die BesucherInnen empfängt, seit dem Ende des Kalten Krieges nicht eben voll bis unters Dach genutzt zu werden. Die dortige »Gesellschaft für Zivilschutz« hat sich bereits aufgelöst. Auch in der ehemaligen »Forschungsstelle für gesamtdeutsche wirtschaftliche und soziale Fragen«, einst eingerichtet zur Entlarvung der DDR-Mißwirtschaft und nunmehr umbenannt in »Forschungsstelle für deutsche und gesamteuropäische Integrationspolitik«, sieht selbst die 'FAZ‘ als Anachronismus: »Nach dem Ende des Kampfes muß nicht nur der Verlierer das Schlachtfeld verlassen, sondern auch der Sieger.« Im dritten und vierten Stock, in dem »deutsches Volksgut« in Form von Bierkrügen und Bauerntrachten bewundert werden kann, befinden sich diverse Vertriebenenverbände und Landsmannschaften. Darunter allerdings manche, die rein kulturell orientiert sind und noch nie Gebietsansprüche gestellt haben, zum Beispiel die Rußlanddeutschen. Andere aber, wie der Berliner Landesverband der Vertriebenen und ihr Chef Gerhard Dewitz, stehen voll hinter Herbert Czaja, der als Chef des »Bundes der Vertriebenen« gegen die Verträge mit Polen und der CSFR und die »Verzichtspolitiker« mobilisierte. Auch Dewitz stimmte als früherer CDU-Abgeordneter gegen den Polenvertrag.

Daß am vergangenen Freitag eine kleine Schar des »Aktiven Museums« unter dem Motto »Aktives Gedenken statt großdeutscher Gedanken« vor dem »Deutschlandhaus« ihr Anliegen zu demonstrieren wagte, empörte den Chef der »Landsmannschaft Berlin-Mark Brandenburg«. Dewitz zur taz: »Das ist die Sprache der SED und der Kommunisten.«

In diesem Fall eher der AL. Ihr Abgeordneter Albert Eckert geht nämlich noch weiter und fordert die Umnutzung des »Deutschlandhauses« zum »Haus der Menschenrechte«. Amnesty international, der Humanistischen Union und anderen Organisationen sei zwar ein Haus in der Lottumstraße am Prenzlauer Berg angeboten worden, aber das könne nur eine Zwischenlösung sein. Das Gestapo-Gelände brauche einen »Ort der aktiven MahnerInnen und WächterInnen«. Ute Scheub

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