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Ein Umsatzriese mit fließenden Übergängen

■ Landesentwicklungsgesellschaft mit umfassendem Aufgabenkatalog gegründet Mißbrauch befürchtet/ Geringe Kontrollmöglichkeit der öffentlichen Hand

Berlin. Die Berliner Abgeordneten werden in ihrer heutigen Plenarsitzung einen Beschluß fällen, dessen Inhalt den wenigsten von ihnen vertraut ist, der aber für die Entwicklung der Stadt weitreichende Konsequenzen haben wird. Die Parlamentarier werden ihre Hand zur Gründung einer Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) heben.

Damit wird nach dreijährigem Vorlauf ein Projekt aus der Taufe gehoben, das sich nach Einschätzung des wirtschaftspolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Joachim Kern, zu einem Umsatzriesen unter den Unternehmen des Landes Berlin entwickeln könnte; und das, so die Befürchtung der wirtschaftspolitischen Sprecherin der Grünen, Michaele Schreyer, den Einstieg dafür abgeben könnte, »private und öffentliche Geschäfte zu mischen«.

Der Gründervater des Unternehmens, der Staatssekretär in der Finanzverwaltung, Theodor Strauch, spricht hingegen am liebsten von einer »Managementgesellschaft, die Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigt, umsetzt und in die Partnerschaft mit den am Markt Beteiligten geht«. Einer der ganz wesentlich am Markt Beteiligten, der Vorsitzende des Wohnungsunternehmerverbandes, Dietmar Otremba, hat allerdings bereits jetzt die Sorge, »daß man die Gesellschaft zu groß anlegt und mit Aufgaben überfrachtet«. Eine Sorge, die berechtigt scheint, denn so divergierend die Statements, so umfassend ist die Palette der Funktionen, die die LEG übernimmt.

»Zur Unterstützung und zügigen Umsetzung einer umfassenden Stadtentwicklungs-, Hauptstadt-, Wirtschafts-, Bau- und Wohnungspolitik«, so die Vorgabe der Finanzverwaltung, kann das Unternehmen Aufgaben des Landes über »Geschäftsbesorgungsverträge übernehmen und gleichartige oder verwandte Gesellschaften gründen, führen, erwerben oder sich an ihnen beteiligen«. Die LEG wird zu 51 Prozent dem Land Berlin gehören und zu 49 Prozent der Berliner Landesbank. Mit dem Stammkapital von 100.000 Mark wird die Gesellschaft jedoch kaum wirtschaften können.

Deshalb wird das Land, so Strauch, »auch Grundstücke reinzugeben haben«. Die Größenordnung der Erstausstattung mochte er jedoch nicht beziffern. Die LEG wird über Tochtergesellschaften Grundstücke des Landes übernehmen, sofern erforderlich auch fremde Grundstücke kaufen, baureif machen und weiterveräußern. Wenn es gut läuft, werden dabei Gewinne erwirtschaftet, wenn nicht, geht Niklas davon aus, daß die Gesellschaft, »was sie benötigt, zugeschossen bekommt«.

Die LEG soll nicht nur Bauland vorbereiten, sondern kann auch, so Strauch, »als Developper im Sinne des public private partnership« fungieren. Damit geht die Berliner Landesentwicklungsgesellschaft über das hinaus, was ihre Partnergesellschaft in Brandenburg sich zur Aufgabe gesetzt hat. Im dortigen Finanzministerium vertritt man die Devise, daß eine LEG nicht selbst Unternehmen gründen, sondern nur bei der Grundstücksvermarktung behilflich sein sollte.

Zwar soll sich nach Strauchs Willen »kein Riesenapparat etablieren«, doch fürchten genau das sowohl Otremba als auch Schreyer. Denn bei 72 Quadratkilometer entwicklungsfähiger Fläche in Berlin sind der Expansion kaum Grenzen gesetzt. Und Niklas weiß, daß die Unternehmen »in einer öffentlich-privaten Grauzone« operieren. Die Möglichkeit des Mißbrauchs öffentlicher Mittel ist gegeben, denn, so Niklas, »da gehen Dinge fließend ineinander über, wie das kontrolliert wird, muß man sehen«.

Der Landesrechnungshof, dessen Aufgabe die Kontrolle öffentlicher Mittel ist, hat, so sein Präsident Horst Grysczyk, »mit Mischkonstruktionen wenig Erfahrungen«. Der Landesentwicklungsgesellschaft kann er noch in die Bücher schauen, schwieriger wird es bei den möglichen öffentlich-privaten Beteiligungsformen der Tochtergesellschaften. »Je privater«, so Grysczyks Faustregel, »desto schwieriger die Kontrolle.« Ein Prüfrecht des Parlaments sei nur gegeben, »wenn ein Verlustzuschuß erforderlich ist«. Doch dann ist es, so Schreyer, meist zu spät. Dieter Rulff

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