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EG genehmigt hohe Werftenhilfe Ost

■ EG will 40prozentigen Kapazitätsabbau der ostdeutschen Werften/ Kommission verspricht dafür höhere Beihilfen für Altverträge/ Auswirkungen auf Arbeitsplätze in Mecklenburg noch unklar

Brüssel (afp/taz) — Die ostdeutschen Werften dürfen weitaus höher subventioniert werden als alle anderen Schiffsproduktionsstätten in der EG. Nach dem Willen der EG-Kommission müssen sie als Gegenleistung aber ihre Kapazitäten um 40 Prozent bis Ende 1995 abbauen. Von den deutschen Behörden, so die EG- Kommission gestern, soll den Ost- Werften erlaubt werden, bis Ende 1993 für Altverträge (das sind alle, die vor dem 1. Juli 1990 abgeschlossen wurden) Beihilfen von maximal 36 Prozent des Schiffspreises zu zahlen. Über diesen Vorschlag der EG- Kommission werden die EG-Staaten vermutlich beim nächsten Ministerrat für Industriefragen Mitte Juli in Luxemburg entscheiden. Dabei könnte die Bonner Delegation überstimmt werden, wenn sie einen weniger deutlichen Kapazitätsabbau fordert. Ein EG-Sprecher verwies am Mittwoch darauf, daß auch andere EG-Staaten in der Werftindustrie stark reduziert haben. Beispielsweise sei Spanien im Rahmen seines EG-Beitritts ebenfalls ein Kapazitätsabbau um 40 Prozent innerhalb von fünf Jahren auferlegt worden.

Den bestehenden EG-Regelungen zufolge, die Wettbewerbsverzerrungen verhindern sollen, dürfen EG- Staaten ihren Werften nur Subventionen von höchstens neun Prozent des Preises der gebauten Schiffe zukommen lassen. Für Ostdeutschland galt wegen der besonderen Situation bisher eine Subventionshöchstgrenze von 15 Prozent. Die Gewährung der jetzt viermal höheren Beihilfe für die ostdeutschen Werften begründete ein Sprecher der EG- Kommission mit der hohen Abhängigkeit der ostdeutschen Küstenregion von der Werftindustrie, die 40 Prozent der Industriearbeitsplätze in Mecklenburg-Vorpommern stellt. In manchen Regionen seien jede zweite, andernorts jede vierte Familie von den Werften abhängig, hieß es in Brüssel.

Andererseits sind aber auch Bedenken anderer EG-Staaten geäußert worden. „Der Vorschlag berücksichtigt sowohl die industrie- und regionalpolitischen Erfordernisse des Landes Mecklenburg-Vorpommern als auch die sensible Wettbewerbslage des Schiffsbaus in der gesamten EG“, sagte der für Wettbewerbsfragen und staatliche Beihilfen zuständige EG-Kommissar, Leon Brittan.

Die ostdeutschen Werften hatten bei der Vereinigung nach EG-Angaben eine Fertigungskapazität von 545.000 Bruttoregistertonnen. Damit zählte die ehemalige DDR in Europa zu den größten Herstellerländern im Schiffbau. Bis Ende 1995 müssen nach dem Vorschlag der EG- Kommission 40 Prozent der Fertigungskapazität verschwinden. Wieviele der ursprünglich 51.000 Arbeitsplätze in der Werftindustrie erhalten bleiben, wurde in Brüssel nicht mitgeteilt. Der Strukturabbau hat nach Informationen der EG- Kommission bereits begonnen, weil mit der Aufgabe des Schiffsneubaus in der Rostocker Neptunwerft bereits 97.000 Tonnen weniger Neubaukapazität besteht. Andererseits zeichne sich durch die Umstellung der Peenewerft in Wolgast von militärischer auf zivile Produktion und einen Neubau in Mukran eine Kapazitätssteigerung von 116.000 Tonnen ab.

Bei den Altverträgen handelt es sich vor allem um 16 Schiffe, die die frühere UdSSR bestellt hat, für die eine Bezahlung aber nirgends in Sicht ist. Die2 höheren Beihilfen sollen es ermöglichen, „die während der Umstrukturierung zu erwartenden Verluste auszugleichen“, erklärte die EG-Kommission. Nach der deutsch-deutschen Währungsunion geschlossene Verträge kommen nicht in den Genuß der größeren Förderung, um „keinen Vorteil“ gegenüber anderen Werften entstehen zu lassen. Nach der bisher gültigen EG-Regelung hätten in Ostdeutschland 25 Prozent der vorhandenen Schiffbaukapazität abgebaut werden müssen. dri

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