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Lukanga Mukara und der Massa

■ Neu: Schriften von Hans Paasche: Querulant, bunter Hund, 1920 ermordet

hierhin bitte die

beiden Buchtitel

und rechts den Mann

Links: Der Titel eines Vortrags mit einem Gruß Hans Paasches. Mitte: Das Titelblatt des in 250.000 Auflage erschienenen „Fremdenlegionär Kirsch“. Rechts: Hans Paasche 1914 Fotos: Archiv

Selten, daß ein Menschenalter ausreicht, um durch diese ideologischen Wechselbäder zu tauchen. Hans Paasche war (fast) alles: Soldat des Kaisers, Kolonialoffizier in Ostafrika, überzeugter Antialkoholiker, später Vegetarier, dann jugendbewegt, dann Pazifist, USPD-Mitglied und dann KPD, danach bestellte er, die Öffentlichkeit meidend, sein Landgut „Waldfrieden“. Ein Teil seiner Schriften ist jetzt im Bremer Donat-Verlag neu aufgelegt worden.

Dabei hätte ihm eine so steile Karriere beschieden sein können.

Aufgewachsen war er in einer großbürgerlichen Familie. Sein Vater war später Vizepräsident im Reichstag und stramm national-konservativ; nach dem Besuch der Marineschule wird Paasche nach Afrika beordert. Er lernt die Landessprache Kisuaheli und nutzt seine Stationierung für ausgedehnte Ausflüge ins Landesinnere. Der damals schon als etwas kauzig angesehne Abstinenzler entfernt sich zunehmend vom kolonialen Bewußtsein der kaiserlichen Armee.

Nach seiner Rückkehr ins Deutsche Reich wird er publizi

stisch tätig. Er ist Herausgeber zweier Zeitschriften. Seine Themen: Abstinenz, gesunde Lebensführung, Vegetarismus, er nimmt teil an Kongressen zur „Hebung der Volkskraft“. Er geißelt die Hutmode, weil sie die Ursache für das massenhafte Abschlachten seltener Vögel ist, er schreibt kritische Artikel gegen die Vergnügungsjagden.

Seinen größten literarischen Erfolg landet Paasche ein Jahr vor Ausbruch des 1. Weltkriegs. Seine fiktive Figur Lukanga Mukara, ein Schwarzafrikaner, besucht Deutschland und schreibt seinem Häuptling über die seltsamen Riten der europäischen Ureinwohner. Lukanga hat es seinem Häuptling gegenüber nicht leicht, muß er ihm doch erklären, warum die Deutschen hinter Papierfetzen herjagen, warum sie „Rauchstinken“, warum sie sinnlos auf Eisenteilen hin- und herhetzen, warum sie das Essen zerkochen und bis zur Geschmacklosgkeit salzen...

Paasches ganze Hoffnung ruhte auf der Jugendbewegung. Wandern, Singen, Lagerfeur, Leben in der Natur, das werden seine Werte, aber als ein Jahr später die Deutschen zum ersten Weltkrieg rüsten, meldet er sich wieder, bloß keiner nimmt ihn ernst. Zwei Jahre hält es die Marine mit ihm aus, wohl des prominenten Vaters wegen, 1916 erhält der notorische Querulant wegen „gemeingefährlicher Reden“ seine Abschied aus der Armee. Die aufständischen Matrosen befreien ihn aus der Festungshaft, nach dem Sieg der SPD zieht sich Paasche enttäuscht auf sein Landgut zurück, wo er 1920 von Freikorps-Soldaten ermordet wird. mad

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