: Betr.: Harald Naegeli: "Der Sprayer von Venedig"
Gefillte Fisch in Venezia. Der Sprayer von Zürich, der als Harald Naegeli enttarnt, nach Deutschland geflüchtet war, um exorbitanten Regreßansprüchen Schweizer Betonwandbesitzer zu entgehen, trieb sein Wesen anschließend in den Lagunen. An mehr oder weniger verborgenen Stellen hinterließ er dort, wo es außer Romantik nichts mehr zu angeln gibt, grätige Fischzeichen und stehende „Blitze“. Er selbst und Kirsten Klöckner haben die flüchtigen Werke fotografiert, und Klaus Staeck, der den rührigen Sprayer damals unter seine Fittiche genommen hatte, ist Herausgeber des Buchs „Der Sprayer von Venedig“.
In einem Gespräch zwischen Staeck und Naegeli, das den Bildband abschließt, zeigt sich Naegeli als enttäuschter Aufklärer mit Sinn fürs Risiko — „Ich wollte die Einwohner (Venedigs) auf die sterbenden Gewässer hinweisen“ —, der in den illegalen Sprühaktionen eine Art von Kompensation sucht. Es gehört für den Sprayer „zu einer Art psychischer Selbstbestätigung, diese klein erscheinende Mutprobe zu bestehen“. Naegeli scheut sich nicht, das Sprayen der Figuren als „eine Art leidenschaftliche Auflehnung“ zu bezeichnen. Man fragt sich allerdings, wozu die Heimlichkeit gut ist — noch immer sprayt Naegeli bei Nacht —, wenn er seine gezielte Sachbeschädigung danach in einem Bildband dokumentiert und mit seinem Namen versieht. Das eine oder andere Nachtfoto hätte das gesucht Klandestine an Naegelis Haltung vielleicht illustrieren können. Aber beim „Sprayer von
Venedig“ ist immer Tag und immer Sonnenschein.taz
Harald Naegeli: „Der Sprayer von Venedig“. Steidl Verlag/Edition Staeck,
100Seiten, schwarzweiß und Farbe, geb., DM 48
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