: Werft-Arbeiter protestieren gegen EG
■ Belegschaften, Werftunternehmer und Wirtschaftsminister wollen mehr vom Ostschiffbau erhalten
Bremen/Rostock (ap/dpa/taz) — Der Chef der Bremer Vulkan-Werft, Friedrich Hennemann, hat den von der EG-Kommission verlangten Kapazitätsabbau der ostdeutschen Werften um 40Prozent eine „unglaubliche Härte“ genannt. Er habe „großes Verständnis“ für Protestaktionen der Beschäftigten, sagte er am Mittwoch abend in Bremen. Die EG- Kommission hatte den Abbau am Mittwoch zur Bedingung für Subventionen von 36Prozent des Umsatzes der Ostwerften gemacht (s. taz gestern) — was den Neueigentümer Vulkan zu weiterem Stellenabbau nötigen würde.
Die IG Metall rief gestern in Stralsund und Wolgast zu öffentlichen Betriebsversammlungen der Werften auf. Die EG-Vorschläge zum Kapazitätsabbau in ostdeutschen Werften bedeuten nach Ansicht der IG Metall den „Todesstoß“ für einige Schiffbaubetriebe in Mecklenburg-Vorpommern. Selbst die vorgeschlagene Zeitspanne bis 1995 ließe den Untergang solcher Werften wie in Stralsund, Boizenburg oder Roßlau wahrscheinlich werden, sagte Rüdiger Klein, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Rostock.
Ähnliche Befürchtungen äußerten Belegschaft, Betriebsrat und Geschäftsführung der Ost-Werften. „Die EG-Vorschläge sind weit unter unseren Erwartungen“, sagte Harald Berndt, Mitglied des Gesamtbetriebsrats der Neptun-Warnow- Werft in Rostock.
Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Conrad-Michael Lehment (FDP) meinte, das Umsetzen des Kapazitätsabbaus wäre eine dramatische Entscheidung für das Land. Auch Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) widersprach der Forderung der EG-Kommission. Die empfohlene Abbaugrößenordnung halte er für zu hoch. „Wir werden uns bei den Beratungen des zuständigen Ministerrates dafür einsetzen, daß diese abgemildert werden“, kündigte Möllemann gestern an.
Unklar sei bei den EG-Zahlen noch, ob eine mögliche neue Meyer- Werft auf Rügen enthalten sei, sagte Hennemann, dessen Vulkan-Werft die größte in Deutschland ist. Die Schweriner Landesregierung habe die Aufgabe, die „magere Quote“ zu verteilen. Der Mittelständler Meyer aus dem emsländischen Papenburg will auf Rügen eine neue Werft direkt am Meer bauen, weil die Ems im heimischen Papenburg nicht mehr tief genug ist für die Schiffe, die Meyer bauen will. Wie ein Unternehmenssprecher gestern sagte, sei jetzt auch eine Zusammenarbeit mit der Volkswerft Stralsund vorstellbar. Der mecklenburg-vorpommersche Wirtschaftsminister Conrad-Michael Lehment (FDP) hatte deutlich gemacht, daß der einzige Weg für Meyer nach Mecklenburg-Vorpommern in der Übernahme der Volkswerft Stralsund bestehe, da es nach den Plänen der Brüsseler EG-Kommission zur Reduzierung der ostdeutschen Schiffbaukapazitäten keinen Werftneubau für Meyer auf Rügen geben werde.
Die Belegschaft der noch in Treuhand-Besitz befindlichen Volkswerft in Stralsund befürchtete gestern das Aus für ihren Betrieb, weil die nach dem EG-Beschluß 1995 verbleibende Rest-Tonnage von rund 330.000 Tonnen auf die privatisierten Werften in Rostock-Warnemünde, Wismar und Wolgast sowie auf die geplante Meyer-Werft auf der Insel Rügen entfallen würden. Meyer will zwar „prüfen“, so der Unternehmens-Sprecher, inwieweit im Rahmen einer Zusammenarbeit vorhandene Kapazitäten für die Volkswerft Stralsund und für eine neue Meyer-Werft in Mukran auf Rügen genutzt werden könnten. Am Standort Stralsund jedoch sei Meyer nicht interessiert, da hier die gleichen geographischen Probleme bestünden wie in Papenburg.
Vulkan-Chef Hennemann nutzte die Gunst der Stunde, gleichzeitig Subventionen von neun Prozent für die westdeutschen Werften zu fordern. Nach den EG-Richtlinien ist das die maximal erlaubte Höhe der Subventionen für westdeutsche Werften. Die Bundesregierung will jedoch unter dieser Höchstgrenze bleiben.
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