: „Nationalitätenspektakel von der Polizei aufgelößt“
Samstag, den 16.5.92 Europacupfeier für Werder Bremen, über 20 Grad, das heißt, die Sonne scheint und alle BremerInnen müßten glücklich sein. Aber nein, da gibt es Minderheiten, die müssen uns doch den Tag versauen mit Demonstrationen. Auf der einen Seite Menschen, die gegen den Völkermord in der Türkei demonstrieren, auf der anderen Seite, die den gleichen unterstützen und rechtfertigen. Die Nationalisten getarnt mit einem Gemisch aus Türkeiflaggen und Deutschlandflaggen, erkaufen sich die Staatsschützersympathie mit roten Nelken, sind sehr offensichtlich bewaffnet (Baseballschläger, Stuhlbeine, Holzlatten usw.) und werden dementsprechend höflich zum voraussichtlichen Eskalationspunkt eskortiert. Die andere Seite sitzt / blockiert das Sielwalleck, demonstriert gegen Faschismus, Rassismus und Völkermord und wird von den Veranstaltern immer wieder zu passivem Widerstand aufgerufen, der berechtigt, auch eingehalten wurde.
Und dann wurde uns doch der ganze Tag versaut. Nachdem die Polizei es endlich geschafft hatte, ohne jeglichen Umweg beide Parteien zu einander zu bringen, sich so geschickt aufteilte, daß ein Ausweichen unmöglich war, wurde es klar, welche Richtlinien beim Morgenapell ausgegeben worden waren. Deutscher grüner Europameister schützt türkischen Natopartner. Ein unschlagbares Doppel, das unter Einsatz „sämtlicher vorgeschriebener Zurückhaltung“ in 20 souveränen Minuten, die Sielwallkreuzung, von anklagenden Stimmungsvermiesern, räumte. Ein Lob an unseren obersten Einsatzleiter, für das gute Timing und die reibungslose Abwicklung dieser Angelegenheit.
Geschadet hat dieser Nationalitätenkonflikt auf deutschem Boden nur den Parteien selbst. Doch sollten sich die Beschützen überlegen, ob ihre deutschstaatlichen Helfer sie als Individium ohne rote Nelken genauso höflich „bedienen“, oder ob sie politisch benutzt werden, wie alle anderen Minderheiten auch. E. Jank, Herausgeberin der Afrekete, internationales Magazin von migranten u. Schwarzen Frauen
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