Schrecklich gute Taten

■ »Kinder, Kader, Kommandeure«: Ein Dokumentarfilm über die DEFA-Wochenschauen

Wundern Sie sich nicht, wenn Ihnen manches in diesem Film wie Propaganda erscheint. Es ist Propaganda. Aber auch ein Stück Lebenswirklichkeit aus vierzig Jahren DDR.«

So spricht Manfred Krug aus dem Off. Er hat recht. Ja, genauso waren sie, die Wochenschauen der DEFA, die man in der DDR bei jedem Kinobesuch unter dem Titel Der Augenzeuge sehen konnte: lachende Menschen, die voller Enthusiasmus am Sozialismus bauten, Armee-Einheiten, die den Frieden verteidigten, und immer wieder Kinder, die sich darauf vorbereiteten, ihrem Land mit besonders guten Taten zur Verfügung zu stehen.

Ja, wir erinnern uns an die typischen Stimmen der Kommentatoren, mal salbungsvoll, mal scharf und schneidend — haargenau aufs Thema zugeschnitten — und natürlich die Musik (immer in großer Orchesterbesetzung). Sie durfte in keinem Film fehlen.

Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn man seiner eigenen DDR-Vergangenheit in derart komprimierter Form begegnet. Die Montage von Harald Kissel und C.C.Wesnigk ist amüsant, und oft muß man laut loslachen. Aber aus Heiterkeit wird Zynismus, und es bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Die Filmausschnitte, aus denen der Film zusammengesetzt ist, beginnen 1946 und führen bis ins letzte Jahr der DDR 1989. Sie laufen mit Originalton und bleiben unkommentiert. Propaganda, so wie sie gemacht wurde. Die handelnden Personen entblößen sich selbst: der Dichter Johannes R. Becher, der in lächerlicher und aufgeblasener Manier jungen Pionieren aus dem schweren Leben Ulbrichts berichtet. Ulbricht selbst, der treusorgende Landesvater, der sich im Leipziger Stadion vor Zehntausenden als Vorturner betätigt. Honecker, der in besseren Zeiten Margot übers Parkett schwingt.

Den größten Teil des Films nehmen Sequenzen ein, die Bildung und Erziehung der Kinder zeigen. Sozialistisches Lagerleben, eifrige Mitarbeit bei Kampfgruppenübungen, Lippenbekenntnisse über künftiges Soldatenglück. Da bleibt von Komik nicht viel übrig.

Neben dem aktuellen DEFA-Material gibt es noch diverse Ausschnitte aus Lehrfilmen, Spielfilmausschnitten, Konzertmitschnitten etc. Hier wäre eine konsequente Beschriftung der Bilder — eine Aufklärung, um wen es sich handelt — unbedingt angebracht. Daß es Biermann ist, der singt, weiß nun wirklich jeder, aber wie heißt der Spielfilm, in dem Manfred Krug einen klassenbewußten Soldaten spielt, der am 13.August die Grenze bewacht? Und wer ist jener Schauspieler, der im Kinderfernsehen mit Vierjährigen Militärunterricht macht? Niemand war gezwungen, in solchen Filmen mitzuwirken. Da möchte man schon wissen, wer sich damals zu so etwas hergegeben hat.

Damit kein Zweifel aufkommt: Es wird völlig klar, daß der Film nicht einzelne entlarven will, sondern einen Überblick gibt, wie Beeinflussung stattgefunden hat. Sehr deutlich ist zu verfolgen, wie versucht wurde, ein Volk zu manipulieren, aber auch, wie sich dieses Volk bereitwillig manipulieren ließ. Es gab genug Leute, die für Geld, für Karriere — oder wofür auch immer — mitgeholfen haben, aus Kindern Kommandeure zu machen. Sibylle Burkert

Noch bis zum 28.Mai, jeweils um 18Uhr und 20Uhr im »Graffiti«, Pariser Straße44 und um 21.45Uhr im »Tivoli«, Köpenick, Berliner Straße27