: Schalck-Ausschuß bringt Staatsanwälte auf Trab
Berlin (taz) — Im Rahmen der Ermittlungen gegen den früheren DDR-Devisenagenten Alexander Schalck-Golodkowski hat die Berliner Staatsanwaltschaft am Donnerstag abend in Ostberlin die Wohnungen des ehemaligen Leiters der DDR-Untersuchungskommission „Korruption und Amtsmißbrauch“, Willi Lindemann, und des Ex-Pressesprechers beim DDR-Generalstaatsanwalt, Peter Przybylski, durchsucht. Laut Justizsprecherin Uta Fölster wurde „umfangreiches Beweismaterial“ sichergestellt. Anlaß für die Razzia waren Aussagen Lindemanns am Donnerstag nachmittag vor dem Schalck-Untersuchungsausschuß des Bundestages. Ausgerechnet Lindemann, der mit seiner Kommission „Korruption und Amtsmißbrauch“ in Schalcks Firmendschungel „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) aufdecken sollte, nutzte seine Position, so gestand er dem Schalck-Ausschuß, um interne Akten in Schalcks Sekretariat zu fotokopieren. Teilweise handelte es sich um Akten aus jenen legendären „fünf Koffern“, die Schalck bei seiner Flucht mit in den Westen nehmen wollte, dann aber zurücklassen mußte. Darunter seien, so Lindemann, auch Aufzeichnungen Schalcks über Gespräche mit westdeutschen Politikern wie Schäuble und Strauß gewesen. Die Kopien habe er für ein gemeinsam mit Peter Przybylski geplantes Buch auf die Seite geschafft. Vertretern des Rowohlt Verlages habe er ebenfalls Kopien überlassen. Nachdem sich das gemeinsame Buchprojekt zerschlagen hatte, will Lindemann die Kopien verbrannt haben. Originale habe er keine entnommen; diese müßten sich vollständig bei den Akten der Berliner Staatsanwaltschaft befinden. An dieser Version hegen die Ermittler offenbar Zweifel, wie die Razzia vom Donnerstag abend zeigt. Insider bezweifeln jedoch, daß die vom DDR-Bürger Lindemann damals kopierten Schriftstücke heute noch politische Brisanz besitzen oder gar für Erpressung geeignet seien, wie Lindemann vor dem Ausschuß andeutete. Vermutlich handelt es sich um jene Schalck-Aufzeichnungen, die im Frühsommer letzten Jahres in diversen Medien breit zitiert und ausgewertet wurden. thosch
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