: Steht die Opec am Wendepunkt?
■ Das einst mächtige Ölkartell liebäugelt mit neuen Mitgliedern aus den Reihen der GUS-Staaten/ Intern ist die Opec zerstritten wie nie: Um die Förderquoten tobt ein Machtkampf
Wien (taz/dpa/ap) — Die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) sucht weiter nach neuen Wegen und Mitgliedern. Der nigerianische Ölminister und bisherige Opec- Präsident, Jibril Aminu, sprach auf dem Opec-Ministertreffen in Wien aus, was viele seiner Kollegen dachten: „Gibt es nicht Wege, eine Mitgliedschaft für andere Ölproduzenten attraktiver zu machen?“ Den Grund für dieses recht eindeutige Angebot an die früheren Sowjet-Republiken nannte Aminu gleich selbst: „Es gibt Ölvorkommen, über die wir kein gesichertes Wissen haben. Es herrscht Unsicherheit über den Zeitpunkt ihres Auftretens am Ölmarkt und über das Volumen.“
Die Opec fürchtet nicht nur einen Preisverfall auf den internationalen Spotmärkten, sondern auch einen weiteren Bedeutungsverlust ihrer Organisation. Nur wenige Stunden vor Eröffnung der Wiener Konferenz hatte Kasachstan mit dem US- Ölmulti Chevron ein Abkommen unterzeichnet, nach dem nicht weniger als 20 Milliarden Dollar in den nächsten 40 Jahren in den zentralasiatischen Staat gepumpt werden sollen, damit dort das schwarze Gold wieder fließt. Sollte das Beispiel Schule machen, könnte der Weltmarktanteil der Opec von derzeit rund 35 Prozent weiter sinken. Eine Mitgliedschaft Rußlands und der asiatischen GUS- Republiken, deren Ölvorkommen auf Grund der katastrophalen wirtschaftlichen Lage weitgehend brach liegen, würde den Weltmarktanteil des Ölkartells wieder auf rund 50 Prozent schrauben. Doch selbst das ist nur ein schwacher Trost, wenn man bedenkt, daß die Opec-Staaten vor den Ölkrisen der 70er Jahre noch rund drei Viertel des Weltbedarfs abdeckten. Der Opec gehören die 13 Staaten Algerien, Equador, Gabun, Indonesien, Iran, Irak, Katar, Kuwait, Lybien, Nigeria, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Venezuela an.
Das Werben um neue Partner scheint jedoch nicht ohne Erfolg zu sein: Rußland und Kasachstan erwägen offenbar eine Mitgliedschaft in der Opec. Ein ranghoher Opec-Vertreter ließ am Samstag durchblicken, die zwei GUS-Staaten hätten Informationen über einen möglichen Beitritt erbeten. Gefragt worden sei etwa nach Rechten, Pflichten und finanziellen Beiträgen, die sich für Mitglieder ergäben. Die UdSSR war einst größter Erdölproduzent der Erde. Nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur förderten die Republiken der ehemaligen Sowjetunion im März täglich insgesamt 9,5 Millionen Barrel Rohöl.
Die jüngsten Entwicklungen könnten bald schon einen Wendepunkt in der 30jährigen Geschichte der Opec markieren. Auch einige Förderländer gehen immer mehr auf Distanz zum offiziellen Opec-Kurs. Nur unter Zugeständnissen war es den Opec-Ministern gelungen, sich formell auf eine Beibehaltung der derzeitigen Gesamtförderquote von 22,9 Mio. Barrel (je 159 Liter) pro Tag zu einigen. Saudi-Arabien und Kuwait dürfen jedoch 0,5 bzw. 0,2 Millionen Barrel mehr fördern. Am Ende der Konferenz waren die Unstimmigkeiten nicht mehr zu übersehen: Saudi-Arabien und Iran meldeten, im Schlußkommunique vermerkt, Vorbehalte gegen die Regelung an, der Irak lehnte die Erklärung rundweg ab. Auch die iranische Regierung, die die Förderquote gerne auf 22,5 Millionen Barrel herabgesetzt hätte, war mit dem Ergebnis sichtlich unzufrieden. Saudi-Arabien dagegen, dessen mächtiger Ölminister Haschim Naser dem Treffen offiziell aus gesundheitlichen Gründen ferngeblieben war, wollte die ihm informell zugestandene höhere Quote auch im Kommunique veröffentlicht sehen. Beide stimmten dem Abkommen aber letzlich zu.
Die tatsächlichen Förderquoten lagen nach übereinstimmender Ansicht westlicher und arabischer Beobachter in den letzen Jahren deutlich über den vereinbarten Obergrenzen. Nicht zuletzt deshalb nannte Opec-Generalsekretär Subroto als vorrangiges Ziel des Kartells, den Ölpreis wieder an den angestrebten Richtpreis von 21 Dollar heranzuführen, der derzeit knapp unter 20 Dollar rangiert. Erwin Single
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen