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Lebender Fluß oder schwarzer Kanal

„Sanfte“ Staustufen zwischen Magdeburg und Usti sollen die Elbe für Binnenschiffahrt herrichten/ UmweltschützerInnen sagen ökologischen Kollaps voraus/ Fragwürdige Prognosen versprechen wirtschaftlichen Aufschwung auf dem Wasserweg  ■ Aus Dresden Detlef Krell

Der Wasserpegel ist das Stimmungsbarometer im Elbhafen. Seit Wochen schon liegt die Zwei-Meter-Marke im Nassen. Das reicht eigentlich für ein Betriebsvergnügen. Doch das Hafenbecken liegt leer, kein Kahn läßt die Kräne kreisen. Hundert Jahre alt ist der Dresdener Elbhafen. Malerisch strecken sich entlang der Kaimauer die letzten wehrhaft gemauerten Klinkerspeicher der „Sächsisch-Böhmischen Elbschiffahrt Aktiengesellschaft“, überragt vom schlanken Speicherschiff der benachbarten Getreidemühle. In der Ferne sind die Türme der Altstadt zu sehen.

Hafen ist Welt. Im Dresdener Elbhafen war die Welt lange Zeit nur eine Sehnsucht. Damit endlich die Träume wahr werden, erarbeitete die „Hamburg Port Consulting“ vor zwei Jahren ein vom Hamburger Senat finanziertes Konzept. Seitdem weichen die hutzeligen Speicher aus der Jahrhundertwende den glatten, gleißendhellen Fertigteilbauten von mehr als einem Dutzend Speditionen.

Eine Asphalt- und eine Betonmischanlage siedelten sich am Hafenbecken an, und das Kopfsteinpflaster der Hafenstraße dröhnt unter den Brummis, die mit Baustoffen, Getreide und Düngemitteln zum nahen Highway fahren. Torgau, Riesa und Dresden, die drei sächsischen Binnenhäfen, gehören wieder dem Land. 1988 haben diese Häfen vier Millionen Tonnen umgeschlagen, im vergangenen Jahr waren es 500.000 Tonnen. „Wir hatten das seit dreißig Jahren schlimmste Niedrigwasser“, erinnert Geschäftsführer Detlef Büdow. „Hinzu kam der Zusammenbruch der Industrien, die seit jeher übers Wasser beliefert wurden.“

Kiesel- und Splittkegel deuten auf das einzige Standbein, das dem Hafen seit der Währungsunion gewachsen ist. „Mindestens zehn Jahre lang“ boome das Baugewerbe im Osten mit Kies aus dem Westen. Kapitän Büdow ist optimistisch. „Welche Güter in Zukunft die sächsischen Häfen passieren, hängt von der Entwicklung der Wirtschaft ab. Wir setzen neben den Baustoffen auf Getreide, Düngemittel und zunehmend auf Container.“ Investoren stehen an den Elbkais im Dresdner Zentrum Schlange. „Wir hätten den ganzen Hafen mit Mischanlagen spicken können“, erzählt der Geschäftsführer. Es gehöre zur Hafenpolitik, Spediteure hereinzulassen, die dann mit einem Teil ihrer Fracht auf den Wasserweg umsteigen.

Die gleiche Consulting-Firma, die das Konzept für die sächsischen Häfen geschrieben hat, gab im Auftrag des „Vereins zur Förderung des Elbstromgebietes“ ein Gutachten heraus, das für das Jahr 2000 ein „Ladungspotential“ der Elbe von 51 Millionen Tonnen voraussagt. Das wäre fast das Dreifache gegenüber der Fracht von 1988. Unter Punkt 17 der Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ ist nur von der „Wiederherstellung der großenteils beschädigten und nur noch teilweise wirksamen Regulierungsbauwerke“ sowie von der „verbesserten Nachregulierung einzelner Teilabschnitte“ die Rede. Ein Staustufenausbau der Elbe werde „gesamtwirtschaftlich“ bewertet. Bisher liegen 500 Millionen Mark für die Bundeswasserstraße“ bereit.

Doch die interne Planung ist offenbar schon viel weiter. Bundesverkehrsminister Krause (CDU) hat die Staustufenpläne „zunächst“ bis zur Saalemündung ausdrücklich bestätigt. Daran änderte auch die Trogbrücke für die Überquerung des Mittellandkanals nichts, die jetzt als Alternative zu einer Staustufe beim Magdeburger Hafen und zur Überspülung des von allen Binnenschiffern gehaßten Domfelsens gebaut wird. So deutet sich die Trogbrücke über der Elbe als „schnelle Lösung“ an, der die Staustufen der Elbe folgen werden — ein Signal für die Kanalisierung.

Umweltschützer und Wasserbauingenieure, die an einer Tagung der Evangelischen Akademie und des Öko-Projekts ElbeRaum der Grünen Liga in Dresden teilnahmen, aber auch Greenpeace, die ein Gutachten zur Elbekanalisierung herausgegeben haben, sind von dieser vollmundigen Zusage überrascht. Ob Krause mit „zunächst zwei Staustufen“ letztlich die in Plänen aus dem Jahr 1966 abgeschriebenen 18 Wehre zwischen Magdeburg und Usti meint, unterliegt noch der Spekulation. Helmut Faist, Dezernatsleiter in der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Ost, hatte in Dresden versichert, daß bisher nur „verkehrstechnische Untersuchungen“ und „Modellversuche“ laufen. Niemand wolle einen Kanal bauen. Schließlich habe sich auch die Umweltministerkonferenz der Elbe-Anliegerländer gegen Staustufen ausgesprochen.

Faist, der auch in der Internationalen Elbeschutzkommission tätig ist, bat die Diskussionsrunde, zwischen dem Extremen Fluß oder Kanal einen „Kompromiß“ zu suchen. Dieser könnte „sanfte Staustufenregulierung“ heißen. Die Elbe würde „nicht höher kommen als die natürliche Uferbefestigung“ und trotzdem während der heute gefürchteten Trockenzeiten als Wasserstraße zur Verfügung stehen.

Als fragwürdig sieht Greenpeace nicht nur das Für und Wider einzelner ingenieurtechnischer Projekte, sondern generell die Entscheidung über den Ausbau der Elbe als „Indikator“ für die „gesellschaftliche Sensibilität hinsichtlich der Umwelt“. Nach Auffassung von Greenpeace wird der Bau von Wasserstraßen als ein „Akt der Wirtschaftsförderung“ begriffen, die sich „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ vorgenommen hat. „Implizit verbunden damit ist die Orientierung an wirtschaftlichen Kriterien, qualitative Aspekte — etwa das Vorhandensein unberührter Natur — spielen dabei eine eher untergeordnete Rolle.“ Doch an der Elbe haben zum Teil Biotope überlebt, sind vom Aussterben bedrohte Vögel, Lurche und noch 350 Elbbiber zu finden. Im Biosphärenreservat Mittlere Elbe, zwischen Roßlau und Wörtlitz, wachsen die größten zusammenhängenden Restbestände von Hartholzauen in Mitteleuropa. Stieleichen, Eschen und Ulmen bilden einen Auenwald, dessen Überleben vom ständigen Wechsel zwischen Überschwemmung und Trockenheit abhängt. Neben den Bibern leben in dieser Elbe- Arche noch Rotwild, Dachse, Marder, Füchse und 280 Vogelarten. Entlang der Elbe nisten 700 Pärchen Weißstörche. Karl-Heinz Jährling, Elbe-Spezialist im Staatlichen Umweltamt Sachsen-Anhalt, warnte die Wasserbauingenieure und Umweltschützer in Dresden davor, sich nur einzelner Arten aus diesen Biotopen zuzuwenden. „Wenn Sie neben einer Staustufe einige künstliche Wasserarme anlegen, dann fühlt sich der Elbbiber sicher pudelwohl. Aber niemand weiß genau, welche Schmetterlingsarten oder Lurche dabei draufgehen.“

Argumente für einen Ausbau der Elbe, die sich auf ökologisch verträgliche Wasserstraßen und den zu erwartenden Aufschwung in der regionalen Wirtschaft berufen, werden schon bei einem Rundgang durch den Dresdener Hafen fragwürdig. Bisher lebt der Hafen vom Straßenbau, und sein lukrativster Auftrag wäre wohl der von Bonn und Dresden beschleunigte Autobahnbau nach Prag. Schon heute steht die Bahn als Anschlußtransportmittel auf dem Abstellgleis, während Laster die hafennahen Straßen verstopfen.

Dirk Oblong, Mitarbeiter der Grünen im hessischen Landtag, bat die Binnenschiffer, auf den vorhandenen Wasserstraßen „so viel wie möglich Verkehr abzuwickeln. Aber von Flüssen lassen Sie bitte die Finger.“

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