: Fraktionszwang und Gewissen
Streit um Neuregelung des § 218 sorgt für Clinch innerhalb der CDU/ Unions-Abgeordnete, die eine Fristenlösung mit Pflichtberatung befürworten sind dem Druck der Fraktion ausgesetzt ■ Aus Bonn Tissy Bruns
Die CDU/CSU-Fraktion hat mittlerweile arge Schwierigkeiten im Umgang mit der Gewissensfreiheit. Nach den ebenso heftigen wie niveaulosen Angriffen auf Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, die sich möglicherweise dem Gruppenantrag von SPD und FDP für eine Fristenlösung mit Beratungspflicht anschließen will, beklagen ostdeutsche Abgeordnete, sie würden „massiv unter Druck gesetzt“.
So äußerte sich die Leipziger CDU-Abgeordnete Angelika Pfeiffer gegenüber dem 'Mitteldeutschen Express‘. In der letzten Fraktionssitzung sei ihr gesagt worden, sie solle sich nicht einbilden, daß sie mit dieser Einstellung noch etwas werden könne. Es gäbe in der Unionsfraktion rund 30 Abgeordnete, die die Anhänger einer Fristenlösung massiv bekämpften. „Das geht bis hin zu Austrittsforderungen“. Pfeiffer ergänzte gegenüber der taz, daß dieser Druck nicht von der Fraktionsführung ausginge, sondern insbesondere von „Frauen in der Fraktion, die schon lange Abgeordnete sind“. Betroffen davon seien vor allem die ostdeutschen Abweichler vom Mehrheitsantrag der Union. Der Dessauer Bundestagsabgeordnete Hans-Joachim Sopart kritisierte, daß einerseits bei der Abstimmung Gewissensfreiheit gelte, den betreffenden Abgeordneten jedoch plötzlich das christliche Gewissen abgesprochen würde. Die Hamburger CDU-Parlamentarierin Susanne Rahardt-Vahldieck, die ebenso wie Pfeiffer den Gruppenantrag schon bei seiner ersten Vorstellung unterstützt hatte, bestätigte, daß ihre ostdeutschen KollegInnen starkem Druck ausgesetzt seien. Heiner Geißler, stellvertretender Unions-Fraktionsvorsitzender, erklärte, daß in dieser Frage kein Druck ausgeübt werden dürfe. Sollten solche Äußerungen tatsächlich gemacht worden sein, „würde der Fraktionsvorstand dies aufs Schärfste mißbilligen.“
Gegen die Versuche, Abgeordnete in dieser Frage unter Druck zu setzen, wandte sich Klaus Engelhardt, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD). Es gehe nicht an, daß denjenigen, die aus christlicher Überzeugung eine Gewissensentscheidung treffen, „gleichsam ihr Christsein abgesprochen wird“. Die EKD teilte nach einer Klausurtagung mit, daß sie sich nicht auf die Fristen- oder Indikationslösung festlegen werde. „Im Hinblick auf die strafrechtliche Konsequenz“ gäbe es in der evangelischen Kirche unterschiedliche Positionen. Einig ist man sich, daß eine Abtreibung immer Tötung ungeborenen Lebens sei.
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ingrid Matthäus- Maier warf den CDU-Ministerinnen Angela Merkel (Frauen) und Hannelore Rösch (Familie) „völliges Versagen“ vor. Angela Merkel befände sich eindeutig im Widerspruch zur Mehrheit ihrer ostdeutschen Kollegen. Den Vorstoß von Rita Süssmuth begrüßte Matthäus-Maier. Die Bundestagspräsidentin hatte sich mit Modifizierungsvorschlägen an die VerfasserInnen des Gruppenantrags gewandt. Priorität hat dabei, zusätzlich „eine Notlage der Frau“ in das neue Gesetz aufzunehmen.
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