: Drohen und Werben vor dem Dialog
■ SPD fordert für das heutige Spitzengespräch „schonungslose Bestandsaufnahme“ der Koalition
Bonn (dpa/taz) — Einen Tag vor dem Spitzentreffen der Bonner Koalition mit den Sozialdemokraten gibt sich SPD-Fraktionschef Hans- Ulrich Klose martialisch. Falls die Koalition keine konstruktive Haltung an den Tag lege, wolle die SPD alle Kraft daran setzen, daß die Koalition zerbricht. „Dann muß die Regierung weg, dann muß ein neuer Anfang gemacht werden.“ Parteichef Engholm versuchte, Union und FDP fürs Konstruktive zu animieren: Man sei bereit, zur Lösung der „zwei, drei wichtigsten Fragen Deutschlands ein Zusammengehen mit der Regierungskoalition zu ermöglichen“. Dafür wolle man auch „einige Quentchen an Opposition aufgeben“.
Die SPD will die Gestaltung der inneren Einheit und deren sozial gerechte Finanzierung zum Thema machen. Die umstrittene Eigentumsregelung, der Treuhandauftrag und die Wohnungspolitik stehen ganz oben auf der SPD-Problemliste. Parteivize Wolfgang Thierse erwartet von der Koalition eine „schonungslose Bestandsaufnahme“. Die SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier forderte die Koalition auf, ein umfassendes Einspaar- und Finanzierungskonzept vorzulegen. Die Koalition müsse — so Matthäus-Meier — jetzt verdeutlichen, wie sie „die Einheit solide finanzieren, den Anstieg der Staatsverschuldung stoppen und die Last der Einheit gerecht verteilen“ wolle.
Nach Kloses Einschätzung ist nicht voraussehbar, was bei dem Treffen im Kanzleramt herauskommt. SPD-Vize Oskar Lafontaine sieht wenig Erfolgschancen, falls die Koalition sich weiter einer stärkeren Besteuerung höherer Einkommen verweigere. Auf jeden Fall solle das Spitzengespräch nicht zu einer Dauereinrichtung werden. Der SPD-Abgeordnete Walter warnte, das Treffen könne zu einer „Alibiveranstaltung geraten. Dieser negative Eindruck habe sich in den vergangenen Tagen eher verdichtet.
Einen positiven Eindruck bei der Union dürfte indes ein gestern in der SPD-Fraktion verteiltes Papier hervorrufen, in dem der SPD-Abgeordnete Gerd Wartenberg seine Partei zu einer substantiellen Änderung des Asyl-Grundrechtes auffordert. Der jüngste Parteiratsbeschluß, der auf eine europäische Lösung setze, sei der Dimension des Problems nicht angemessen. Die Deutschen könnten nicht auf Europa warten, während die anderen Länder auf „nationale Steuerungsinstrumente“ setzten. Die SPD dürfte sich nicht länger „das Nachdenken über eine Verfassungsänderung verbieten“.
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