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Polenmarkt

Das deutsche Bremen, das den sogenannten Polenmarkt von der Bürgerweide vertreiben will, möge sich einmal an sich selbst erinnern: Nach der Befeiung durch die Aliiertenschätzten sich viele glücklich , wenn sie Dinge besaßen oder beschaffen konnten, die sich auf dem Schwarzmarkt verkaufen ließen. Großzügige, zivilisierte britische und amerikanische Soldaten verschenkten damals Zigaretten und Schokolade, die BremerInnen flugs auf den Schwarzmarkt trugen. Als Deutschland —kurz vorher— noch ein Sieger war, schuf es beispielsweise im versklavten Polen ein unsägliches Elend; man mag gar nicht daran denken an die Zwangsghettos, die nichts waren als Vorhöfe zu KZs und Todeslagern. Wenn die Unterjochten in den Schwarzmarkt flüchteten, ließen Deutsche sie erschießen. Und schnell zurück zur Nachkriegszeit, als Schwarzmarkt und Zigarettenwährung in den deutschen Städten florierten: Damals schoben Gegner und Verlierer dieses „illegalen Gewerbes“ die Schuld daran den jüdischen „displaced persons“ in die Schuhe. So als hätte es ohne die jüdischen Überlebenden (oft aus Polen), keinen Schwarzmarkt gegeben. Wie Schelmenstreiche hingegen klingen Geschichten, aus einer besseren Zeit: wie nach dem Ende der DDR westdeutsche Trödel- und AntiquitätenhändlerInnen in Ostdeutschland und Polen einfielen (und noch einfallen). Den Eingeborenen dort haben sie für'n Appel und Ei bzw. eine Banane und Zitrone den „Trödel" abgeschwatzt.

Den haben sie dann im Westen, z. B. auf dem Bremer Flohmarkt, mit Extragewinn verscherbelt. Das einzig sichere, was wir über das Verschwinden von Schwarzmärkten wissen: ihre Quelle versiegt, wenn Elend und Zerrüttung abnehmen. Nachkriegsdeutschland ist da ein gutes Beispiel, freilich auch ein besonderes, wenn man an den Marshallplan denkt. Administrative und polizeiliche Schläge gegen das „schwarze Gewerbe“ sind ein Schlag ins Wasser, mehr noch, es verzieht sich in den Untergrund und schafft sich eine „Mafia“. Was hieße schon ein Bremer Sieg über diesen klein-bürgerlichen „Polenmarkt" auf der Bürgerweide? Das wäre so grotesk, als würde der Roland —er soll leben— sich damit brüsten, ein rohes Taubenei vor den Renaissancefassaden zerschlagen zu haben. Bettina Decke

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