piwik no script img

„Bomber“ Harris auf dem Sockel der Geschichte

Die Enthüllung des Denkmals für den Luftmarschall am kommenden Sonntag hat in Großbritannien eine Kontroverse ausgelöst/ Bürgermeister von Dresden, Hamburg und Köln kritisieren „moralische Taktlosigkeit"  ■ Von Ralf Sotscheck

„Harris hat sein Denkmal verdient“, sagt Max Hastings, der Herausgeber des britischen 'Daily Telegraph‘. „Nicht für sich selbst, sondern wegen der symbolischen Bedeutung, die es für die Veteranen des Bomberkommandos hat.“ Die zwei Meter siebzig große Statue des Luftmarschalls Arthur „Bomber“ Harris, die am Sonntag von der Königinmutter in London enthüllt wird, hat eine heftige Kontroverse ausgelöst. Schließlich geht es nicht nur um einen Kriegsveteranen, sondern Harris' Flächenbombardierung deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg, bei der 600.000 Menschen ums Leben kamen.

Am vergangenen Sonntag legten Friedensgruppen eine Taube auf den noch unbemannten Sockel vor der Kirche St. Clement Danes, übermorgen werden sie während der Zeremonie eine Mahnwache halten. Politiker und Kirchenführer bleiben der Denkmalsenthüllung fern, nachdem die Bürgermeister Dresdens, Hamburgs und Kölns gegen die „moralische Taktlosigkeit“ protestiert hatten. Kölns OB Norbert Burger ist vor allem über die Terminwahl empört: Sonntag jährt sich die Bombardierung der Domstadt zum 50.Mal. Die 9.000 Veteranen des Bomberkommandos, die für das Denkmal 100.000 Pfund (knapp 300.000 Mark) gesammelt haben, verstehen die Proteste nicht. Es gehe ihnen lediglich um das Gedenken an ihren Kommandanten und an ihre toten Kameraden, sagen sie. Von den 125.000 Bomberpiloten sind fast die Hälfte ums Leben gekommen. Und der Termin für die Enthüllung sei Zufall. „Wir sind damals fast täglich Angriffe geflogen“, sagte einer der Organisatoren, „ein Jahrestag ließ sich also kaum vermeiden“.

Paul Oestreicher, der als Kind mit seinen Eltern vor den Nazis nach England geflohen ist und heute als Kanon in der Kathedrale von Coventry arbeitet, ist davon überzeugt, daß es eine Flut antideutscher Gefühle gegeben hätte, wäre die Aufstellung des Denkmals verhindert worden. Darauf deuten auch die Kommentare in der Boulevardpresse hin: „Die Deutschen kannten 1942 keine Gnade“, wies der Historiker Andrew Roberts im 'London Evening Standard‘ die deutschen Proteste zurück, „aber 1992 erwarten sie plötzlich Rücksicht“.

Die Veteranen vom Bomberkommando haben es noch immer nicht verwunden, daß dem 1984 verstorbenen Harris nach dem Krieg die Anerkennung versagt blieb. Kriegspremier Winston Churchills Plan, den „Bomber“ als Lord ins Oberhaus zu schicken, wurde 1947 durch die Labour-Regierung vereitelt. Der linke Labour-Abgeordnete Tony Benn enthüllte Anfang der Woche, daß sein Vater Lord Stansgate, der damals Luftfahrtminister war, sein Veto dagegen eingelegt hatte.

Die Diskussionen um die Flächenbombardierung hatten in England nämlich schon während des Krieges begonnen. Nach der Bombardierung Dresdens Anfang 1945, bei der bis zu 130.000 Menschen starben, bekam selbst Churchill Skrupel und sprach von einer „unnötigen Zerstörung deutscher Städte“. Harris reagierte auf Kritik wütend. Sämtliche deutsche Städte zusammengenommen seien nicht die Knochen eines britischen Grenadiers wert, sagte er. Max Hastings räumt ein: „Gegen Ende des Krieges war Harris davon besessen, sein Unternehmen, das er im Februar 1942 begonnen hatte, auch zu Ende zu führen: die deutschen Großstädte dem Erdboden gleich zu machen.“

Verschiedene Politiker haben vorgeschlagen, daß Königin Elisabeth während ihrer Deutschlandtournee im Oktober als Zeichen der Versöhnung auch Dresden besuchen soll. Hastings ist dagegen: „Das hieße ja, daß für die Bomberoffensive eine ähnliche Geste der Buße notwendig sei, wie sie die Deutschen für den Holocaust seit 1945 ständig an den Tag legen. Das schiene mir ein freiwilliges Eingeständnis von Schuld, wofür es keine Rechtfertigung gibt.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen