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Weltweit nimmt die Zahl der AKWs ab

Greenpeace-Studie: Frankreichs Luft ist trotz der Atomprogramme hoch mit Schwefeldioxid belastet  ■ Aus Paris Bettina Kaps

Der Niedergang der Nuklearenergie hat begonnen, die Atomindustrie wird vom Energiemarkt verdrängt. Dieses Fazit zieht der „World Nuclear Industry Status Report 1992“, eine gemeinsame Studie des Pariser Weltinformationsdienstes Energie (WISE), von Greenpeace International und vom Worldwatch Institute in Washington.

Zu Beginn dieses Jahres waren weltweit 421 Atomkraftwerke (AKW) am Netz, das sind zehn weniger als im Dezember 1988. Ihre Leistung lag mit 325.942 Megawatt nur fünf Prozent höher als drei Jahre zuvor. Diese Zahlen dürften nicht mehr wesentlich steigen, denn derzeit werden weltweit nur 49 AKWs gebaut. Die Internationale Atomenergie- Agentur (IAEO) nennt 76 Baustellen, das französische Kommissariat für Atomenergie sogar 79 — beide Angaben seien falsch, behauptet der „Report 92“: In den offiziellen Statistiken würden zahlreiche AKWs aufgeführt, deren Bau eingestellt worden sei.

Sechs Länder bauen derzeit keine AKWs mehr: Italien, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Bundesrepublik. In Großbritannien und den USA werden je ein Kraftwerk und in Kanada zwei errichtet. In Frankreich, das mit 56 AKWs fast die Hälfte der europäischen Atomkapazität besitzt, befinden sich sechs AKWs in Bau. Die Entwicklungsländer seien nur mit sechs Prozent am weltweit produzierten Atomstrom beteiligt. Es sei nun abzusehen, daß es im Jahr 2000 eine Kapazität für maximal 360.000 Megawatt Atomstrom geben werde — die IAEO habe also völlig falsch gelegen, als sie vor 18 Jahren prognostizierte, daß die Kapazität dann bei 4,450 Millionen Megawatt liegen werde.

Verantwortlich für diesen Trend seien der zunehmende Widerstand der öffentlichen Meinung gegen die Atomkraft, die explodierenden Kosten und die nachlassende Wettbewerbsfähigkeit der Nukleartechnologie: „Nicht nur Kohlekraftwerke, sondern auch neue, hocheffiziente Erdgaswerke und neue Technologien wie Windturbinen und geothermale Energie sind wesentlich billiger als neue AKWs. Die Marktlücke, in die einmal Kernkraft gestoßen ist, besteht nicht mehr.“

Der Bericht stellt fest, daß in Ländern mit besonders ehrgeizigen Atomprogrammen die Leistung der Meiler besonders schlecht ist. So liefern die vier finnischen AKWs 70 Prozent mehr Strom pro Produktionseinheit als die französischen. Die hohen Investitionen in die Atomkraft haben dem Land nicht einmal saubere Luft beschehrt: Obwohl Frankreich seinen Strom zu fast 75 Prozent aus AKWs bezieht, liegt der Schwefeldioxid-Ausstoß pro Kilowattstunde fast doppelt so hoch wie in Westdeutschland (mit knapp 40 Prozent Atomstrom). Der Grund: Frankreich hat soviel Geld in die Atomkraft gesteckt, daß es versäumte, Kraftwerke für fossile Brennstoffe mit Filtern zu versehen.

Dem Bericht zufolge hängt die Zukunft der Atomindustrie an der Beseitigung des Atommülls: Jedes sechste AKW sei bereits wieder abgeschaltet, 75 Reaktoren seien nach einer durchschnittlichen Lebensdauer von nur 17 Jahren vom Netz genommen worden. „Dennoch gibt es keine klaren Pläne für den Umgang mit dem Müll“, so die Kritik, statt dessen häufe er sich in den als Zwischenlösung gedachten unterirdischen Lagern. „Kein einziges Land hat kurzfristige Pläne, was auf Dauer mit dem hochgradig verstrahlten Müll geschehen soll.“

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