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Der große Abgang

■ Chang, Stich, Lendl und Edberg durften bei den French Open in Paris einpacken

Paris (dpa/taz) — Ein phänomenal auftrumpfender Henri Leconte und die eigene Nervenschwäche haben Michael Stich bei den French Open um eine große Chance gebracht. „Ich bin enttäuscht. Aber es tut nicht so weh, weil ich mir nicht vorwerfen kann, schlecht gespielt zu haben“, meinte der Wimbledonsieger nach der bitteren Dreisatz-Niederlage gegen Frankreichs Musketier-Clown. Die Tragweite der 6:7 (4:7), 4:6, 4:6 Pleite wurde dem Elmshorner erst beim Kofferpacken richtig klar. Denn nachdem sich am Samstag auch noch Stefan Edberg (Schweden) und Michael Chang (USA) schweren Herzens aus Paris verabschieden mußten, hat in der unteren Tableau-Hälfte von acht gesetzten Spielern nur der Tschechoslowake Petr Korda den Sprung ins Achtelfinale am Montag erreicht.

Marcello Filippini (Uruguay) wäre sein nächster Gegner gewesen, und im Viertelfinale hätte Stich es mit Nicklas Kulti (Schweden) oder dem Qualifikanten Diego Perez (Uruguay) zu tun gehabt. Doch der launische Magier Henri Leconte hatte ausgerechnet an diesem Tag eine Sternstunde erwischt und zauberte ohne Ende. „Bei keinem anderen Tennisspieler der Welt liegt gut und schlecht so weit auseinander“, befand Stich und rätselte: „Was hätte ich denn ändern oder machen sollen?“

Kein Wutausbruch, kein Aufbäumen: während Leconte in dem zweieinhalb Stunden dauernden Duell förmlich „heißgelaufen“ war, und am Ende wie in Trance spielte, ergab sich der Weltranglisten-Fünfte aus Deutschland emotionslos seinem Schicksal. Die 16.500 Fans waren aus dem Häuschen und feierten das sportliche Wunder mit Ovationen. „Ich habe nicht gedacht, daß ich noch so gut spielen kann“, freute sich Leconte.

Der 28jährige, Nummer 200 der Weltrangliste, hatte sich den Triumph redlich verdient. Vor allem bei den „Big Points“ spielte er alles oder nichts, während der fünf Jahre jüngere Stich in diesen Momenten nicht alles riskierte. Dreizehnmal hatte der Deutsche die Chance zum Break verstreichen lassen, zwei von fünf Möglichkeiten nutzte Leconte.

Leid konnte er einem schon tun, der Michael Stich. Nachdem er bereits in der ersten Runde gegen US- Oldie Jimmy Connors mit der mitunter ohrenbetäubenden Athmosphäre auf dem Court Central fertig werden mußte, war das Aufeinandertreffen mit Publikumsliebling Leconte wahrlich eine Höchstrafe. „Im Gegensatz zum Connors- Match war das Publikum nicht gegen mich gerichtet, sondern nur für Leconte. Aber es ist trotzdem schwer, gegen 16.500 Leute anzukämpfen“, fand Stich. „Vergeblich, habe ich gehofft, daß er Fehler machen würde oder ermüden.“ In der Weltrangliste sorgt Stichs komfortabler Vorsprung gegenüber den nachfolgenden Spielern dafür, daß er nicht vom fünften Rang abrutschen wird. Auch für Stefan Edberg gilt: Nichts, wieder nichts. Sein neunter Versuch, den roten Sand von Roland Garros als Triumphator zu verlassen, endete mit einer vorzeitigen Bauchlandung. Diesmal war es der über sich hinauswachsende Russe Andrej Tscherkassow, der die Hoffnungen des Schweden, seine Sammlung an Grand-Slam-Titeln endlich zu komplettieren, bereits in der dritten Runde zerstörte. „Ich werde große Probleme bekommen, heute Nacht einzuschlafen“, befürchtete der Weltranglisten-Zweite nach der 4:6, 3:6, 6:7 (4:7) Niederlage auf dem Court Central. „Ich habe heute nicht gut genug gespielt, um ihn zu besiegen“, bilanzierte er. „Es war eben einer dieser Tage, an denen das nötige Quentchen Glück gefehlt hat.“

3. Runde: Martinez (Spanien) - Grossman (USA) 6:2, 6:2, Meschki (Georgien) - Ferrando (Italien) 6:1, 6:7 (8:10), 6:4, Seles (Jugoslawien) - McNeil (USA) 6:0, 6:1, Graf (Brühl) - Coetzer (Südafrika) 6:2, 6:1, Kijimuta (Japan) - Durie (GB) 6:7 (5:7), 6:4, 6:4, Capriati (USA) - Habsudova (CSFR) 6:1, 6:3

Männer, Achtelfinale: Ivanisevic (Kroatien) - Costa (Spanien) 6:3, 4:6, 6:1, 6:1

3. Runde: Kulti (Schweden) - Chang (USA) 7:6 (7:5), 2:6, 6:3, 3:6, 8:6, Perez (Uruguay) - Krajicek (ND) 6:4, 6:1, 6:1, Tscherkassow (GUS) - Edberg (Schweden) 6:4, 6:3, 7:6 (7:4); Filippini (Uruguay) - Krickstein (USA) 6:2, 1:0 Aufgabe Krickstein, Oncins (Brasilien) - Prinosil (Amberg) 6:3, 6:2, 6:2, Pioline (Frankreich) - Jönsson (Schweden) 6:2, 6:7 (2:7), 6:2, 6:2; Korda (CSFR) - Schapers (Niederlande) 6:4, 6:2, 3:6, 6:1, Leconte (Frankreich) - Stich (Elmshorn) 7:6 (7:3), 6:4, 6:4, Oncins (Brasilien) - Lendl (CSFR) 3:6, 3:6, 6:3, 6:2, 8:6, Steeb (Stuttgart) - Wolkow (GUS) 6:2, 6:4, 6:4

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