: Der jüngste Terror hat die USA aufgeweckt
■ Das Blutbad von Sarajevo in der vergangenen Woche hat die US-Administration ihre Zurückhaltung aufgeben lassen: Mit „knallharten Sanktionen“ wie gegen Irak soll Serbien zur Räson gebracht werden
„Wieviel mehr Terror der Serben ist nötig?“, fragte vor mehr als einem Monat frustriert ein Kommentator der 'New York Times‘, bis die Regierung in Washington endlich Schritte gegen die serbische Führung unternehme. Die Antwort lautet: so viel wie etwa der Beschuß einer Gruppe Zivilisten in der vergangenen Woche, die im Zentrum von Sarajevo für Brot anstanden. Diese in aller Welt verdammte Militäraktion hat die Amerikaner jetzt offensichtlich endgültig aus ihrem Dornröschenschlaf aufgeweckt. Mindestens sechzehn Tote und vor allem drastische Fernsehbilder von dem Blutbad in der bosnischen Hauptstadt haben die Bevölkerung der USA aufgerüttelt und den Druck auf Washington, die monatelange Zurückhaltung aufzugeben, entscheidend verstärkt.
Unter Führung der US-Regierung setzte sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen schließlich zu Beratungen zusammen und präsentierte der Weltöffentlichkeit am Samstag stolz eine Resolution, die „Restjugoslawien“, also Serbien und Montenegro, mit — wie es hier in der Presse heißt — „knallharten Sanktionen“ belegt. Beiden Rumpfrepubliken Jugoslawiens wird ein totales Wirtschaftsembargo — Öl eingeschlossen — auferlegt, die Auslandskonten von Serbien und Montenegro sollen eingefroren werden. Die Sanktionen ähneln in vielen Punkten jenem Maßnahmenpaket, das im August 1990 von den Vereinten Nationen als Antwort auf den Einmarsch irakischer Truppen in Kuwait verabschiedet wurde.
Militärisches Eingreifen nicht in Sicht
Wie die Irak-Resolution basiert jene gegen Serbien gerichtete auf dem siebten Abschnitt der UN-Charta, der Maßnahmen bis hin zu einer militärischen Aktion gegen einen unnachgiebigen Staat autorisiert. Allgemein wird im Moment zwar nicht mit einem militärischen Eingreifen der UNO im Stil des Krieges gegen den Irak gerechnet. Die jetzt verabschiedete Resolution könnte aber als Grundlage für eine Luft- und Seeblockade Serbiens und Montenegros dienen. US-Außenminister James Baker hatte bei seinem Europa-Trip vor einer Woche militärische Schritte zu einem späteren Zeitpunkt ausdrücklich nicht ausgeschlossen.
Im August 1990 hatte George Bush nach dem Einmarsch des Irak in Kuwait keine Sekunde gezögert. „Das kann nicht ungesühnt geschehen“, versprach er und ordnete umgehend die Entsendung von Truppen in den Golf an. Der Weltöffentlichkeit versicherte er, dies sei kein Krieg um Öl; diesmal gehe es um die Verteidigung der neuen Weltordnung. Es sei der Beginn eines neuen Zeitalters, in dem Aggressionen gegen die Schwachen nirgendwo auf der Welt toleriert würden.
Als dann vor knapp einem Jahr der Konflikt auf dem Balkan begann, schienen diese hehren Worte vergessen. Der Ärger mit den „Restjugoslawen“ sei eine rein europäische Angelegenheit, hieß es aus Washington. Im Fall von Kuwait hatten die USA entschieden, daß es im eigenen nationalen Interesse sei, schnell und massiv vorzugehen. Das war offensichtlich nicht der Fall auf dem Balkan. Noch vor zwei Wochen lautete die Parole im US-Außenministerium: diplomatische und wirtschaftliche Aktionen der Europäer werde man unterstützen, nicht aber die Führung übernehmen.
Geändert hat das nach Meinung kluger politischer Beobachter zum einen der Druck — vor allem der Medien — im eigenen Land, der ein Vorpreschen der Amerikaner auf einmal aus Sicht der US-Bevölkerung nicht nur zulässig, sondern regelrecht moralisch erforderlich machte. Mehr und mehr Kommentatoren in den USA haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten erbost über die Zurückhaltung ihrer Regierung geäußert. Damit konnte George Bush Sorgen um eventuelle negative Auswirkungen einer US-Beteiligung im Balkan-Konflikt auf seine Wahlkampagne vergessen.
Eurokorps: den USA ein Dorn im Auge
Darüber hinaus wird die harte US- Linie gegen Jugoslawien auch als Reaktion auf die enge militärische Zusammenarbeit der Deutschen und Franzosen interpretiert. Die Bildung einer gemeinsamen 35.000 Mann starken Truppe wird von der US-Regierung mit großer Skepsis verfolgt. Die Amerikaner hätten ihre Vorrangstellung in der westlichen Allianz unter Beweis stellen müssen, heißt es. Andere meinen, sie hätten die Geduld mit den Europäern verloren, die offensichtlich alleine nicht in der Lage seien, eine gemeinsame Politik gegen die Serben zu formulieren. Martina Sprengel, Washington
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen