: Altes Versagen, neues Versagen
■ Oppositionelle der Ex-DDR protestieren dagegen, daß Stasi-Kontakte zur Normalität erklärt werden
Berlin. Den Verzicht auf jegliche Form von Geheimpolitik haben führende Vertreter der früheren DDR- Opposition gefordert.
Der zu DDR-Zeiten auch von den Kirchen ausgesprochenen Absage an Geist und Praxis der Abschreckung und Abgrenzung, wie sie vor der Wende noch zwischen Ost und West bestanden, müsse heute »mit aller Entschiedenheit« eine »Absage an Geist und Praxis der Geheimpolitik« hinzugefügt werden, heißt es in einer gestern in Berlin veröffentlichten Erklärung von DDR-Bürgerrechtlern.
Anlaß für die Erklärung war ein Treffen am Vortag im Ostberliner Dietrich-Bonhoeffer-Haus, zu dem der Erfurter Propst Heino Falcke gut fünfzig engagierte Mitglieder kirchlicher und unabhängiger Friedens- und Menschenrechtsgruppen eingeladen hatte. Dabei zur Sprache gekommen waren vor allem die Spannungen, die heute zwischen Vertretern der früheren DDR-Opposition und der evangelischen Kirche in Ostdeutschland bestehen, sowie die Aufarbeitung der kirchlichen Stasi- Verstrickungen.
Wie die Unterzeichner der Erklärung betonen, seien sie zu DDR-Zeiten auf unterschiedlichen Wegen für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung eingetreten. In der Ökumenischen Versammlung seien die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit formuliert worden. Zu diesen Werten stünden sie auch heute und fügten ihrer Absage an Abschreckung und Abgrenzung die an Geist und Praxis der Geheimpolitik hinzu.
Notwendig sei zudem, den Prozeß der Verständigung über die eigene Vergangenheit fortzusetzen. Gleichzeitig müsse aber auch darüber nachgedacht werden, wie die zu DDR- Zeiten entwickelten Politikansätze für die Gestaltung der Gesellschaft fruchtbar gemacht werden können, heißt es in dem Text, der unter anderen von Angelika Barbe, Bärbel Bohley, Katja Havemann, Ulrike Poppe, Vera Wollenberger, Eva und Jens Reich, Rainer Eppelmann, Ralf Hirsch, Reinhard Schult und Sachsens Umweltminister Arnold Vaatz unterzeichnet ist.
Ausdrücklich beklagt wird darin, »wie der Ministerpräsident von Brandenburg, Manfred Stolpe, mit seiner Vergangenheit in der Öffentlichkeit umgeht und konspirative Stasi-Kontakte zur politischen Normalität erklärt«.
Auch sei es eine Zumutung, daß hohe Offiziere des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit als »glaubwürdige Zeitzeugen« akzeptiert werden sollen. »Wir wollen verhindern, daß im Windschatten dieser Diskussion alte Machtstrukturen sich in die Zukunft retten können«, heißt es dazu.
Bei dem ersten größeren Treffen ehemaliger DDR-Oppositioneller war wiederholt dazu aufgerufen worden, angesichts der Probleme im deutschen Einigungsprozeß, aber auch der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich auf der Welt zu neuer Gemeinsamkeit im politischen Handeln zu finden.
Wiederholt kritisiert wurde zudem das »gemäßigte Interesse« der Kirchen an der eigenen Vergangenheit. Zu dem alten Versagen zu Zeiten der DDR komme hier neues Versagen hinzu, erklärte Vaatz. epd
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