Schweizer wollen keine Kampfflieger

Die Initiative „Für eine Schweiz ohne neue Kampfflugzeuge“ präsentiert eine Rekordzahl an Unterschriften für ein Volksbegehren gegen die Anschaffung neuer amerikanischer Kampfflugzeuge  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Die „Initiative für eine Bundesrepublik ohne neue Kampfflugzeuge“ hat in nur vier Wochen 6,6 Millionen Unterschriften für eine Volksabstimmung über die Anschaffung des „Jäger 90“ gesammelt. Eine derartige Meldung käme wohl ebenso einer Sensation gleich wie die Nachricht, die seit gestern in der Schweiz Schlagzeilen macht. Genau 503.719 Schweizerinnen und Schweizer, das sind 11,2 Prozent der Stimmberechtigten, unterschrieben zwischen dem 1. Mai und dem Stichtag 1. Juni das Volksbegehren gegen den von der Berner Regierung geplanten Kauf von 34 amerikanischen Kampfflugzeugen des Typs F/A-18. Zeitraum und Zahl der Unterschriften stellen seit Einführung des Rechts auf Volksbegehren im Jahre 1891 einen absoluten Rekord dar.

Das für die Abhaltung einer Volksabstimmung notwendige Quorum von 100.000 Unterschriften war bereits am 13. Mai erreicht. Mangels Personal waren die hierfür zuständigen Gemeinden nur in der Lage, von den insgesamt über 500.000 Unterschriften 180.000 zu beglaubigen. Diese übergaben Vertreter der Initiative gestern am Sitz der Berner Bundesregierung.

Abgesehen davon, daß in der Bundesrepublik keine derartige Initiative existiert, weist die Schweizer F/A-18-Debatte zahlreiche Parallelen zur bundesdeutschen „Jäger 90“-Diskussion auf. Vielleicht, so hoffte eine Vertreterin der eidgenössischen Initiative gestern, habe ihr großer Zwischenerfolg ja eine Signalwirkung nicht nur für die Bundesrepublik, sondern auch für andere europäische Staaten, deren Regierungen trotz der grundlegenden Umwälzungen auf dem Kontinent an den Plänen für neue Kampfflugzeuge festhalten.

Das entscheidende Wort über das mit 3,5 Milliarden Franken teuerste Rüstungsprojekt der Schweizer Geschichte hat nun das Parlament. Bisher hatten sich die Militärs mit der Behauptung durchsetzen können, die Schweiz könne auf ein „modernes Luftverteidigungssystem“ nicht verzichten. Die kleinere Kammer, der Ständerat, in dem die 26 Kantone vertreten sind, sprach sich bereits im März für die Anschaffung der 34 Kampfflugzeuge aus. Auch der Verteidigungsausschuß des Nationalrates votierte in einer ersten Abstimmung dafür. Am 10. Juni soll das Nationalratsplenum entscheiden. Trotz jüngster Umfragen, wonach bis zu 75 Prozent der Eidgenossen den Kauf der F/A-18 ablehnen, gab sich die Regierung bisher zuversichtlich, auch diese Hürde zu nehmen. Ähnlich wie in der Bundesrepublik wurden vor allem industriepolitische Argumente für die Beschaffung der F/A-18 ins Feld geführt, die auch in Bonn als eine Alternaive zum „Jäger 90“ diskutiert wird. Die Beschaffung bringe „Einblick in Spitzentechnologien“ sowie Kompensationsaufträge aus den USA, mit denen sich auf zehn Jahre bis zu 3.000 Arbeitsplätze in der Schweiz sichern ließen. Außerdem bedeute der Einkauf in den USA für rund 200 eidgenössische Firmen „den Schuh in der Tür zum amerikanischen Markt“. Bereits im Vorgriff auf endgültige Entscheidungen der gewählten Volksvertreter schloß sie einen Vorvertrag mit dem amerikanischen Herstellerkonsortium des Kampfflugzeuges ab und leistete eine Vorauszahlung von 50 Millionen Franken.

Dieses Geld wäre bei einem Verzicht auf den Kauf der FA/18 auf jeden Fall verloren. Dasselbe gilt für weitere Vorauszahlungen von 310 Millionen Franken, die bis Dezember dieses Jahres, sowie weiteren 800 Millionen, die bis zum Sommer 93 fällig sind — falls der Nationalrat den Kauf der 34 Kampfflugzeuge jetzt beschließt, das Volk zu einem späteren Zeitpunklt dann aber doch noch mit Nein votiert. Diese Möglichkeit ist nach dem Sammelerfolg der FA/18-Initiative größer als je zuvor. Viele Kommentatoren erinnern an den Schock in den Regierungsstuben, als die Initiative für die Abschaffung der Armee bei der Volksabstimmung im November 1990 eine Zustimmung von 36 Prozent der Eidgenossen erhielt. Eines scheint nach dem gestrigen Tag klar: Die Regierung wird ihre Absicht, die Volksabstimmung zu einem möglichst späten Zeitpunkt durchzuführen, aufgeben müssen. Wahrscheinlich ist nun eine Abstimmung am 6. Dezember dieses Jahres, dem formal frühestmöglichen Termin für den Urnengang.