Rechte Frauen wählen sich ins Abseits

■ Diskussion, warum Frauen rechts wählen/ Ein Drittel der Stimmen für rechtsextreme Parteien kamen von Frauen/ Keine Unterschiede oder doch geschlechtsspezifisches Verhalten?/ Rechte Programmatik setzt auf traditionelle Frauenrolle

Schöneberg. Daß Frauen rechtsextremistische Parteien wählen, ist kein Novum. Schon in der Endphase der Weimarer Republik zog es — nach anfänglicher Bindung an nationalistische und konfessionelle Parteien — immer mehr Wählerinnen zur NSDAP. Mit ihren Stimmen votierten sie nicht nur für eine unmenschliche Programmatik, sondern leisteten auch ihrem Ausschluß aus der politischen Gesellschaft und ihrer Rückkehr an Heim und Herd Vorschub. Warum aber sind heute, nach historischen Erfahrungen und emanzipatorischer Bewegung, noch oder schon wieder rechtsextreme Parteien für Frauen attraktiv?

Eine Frage, die am Dienstag abend die Teilnehmer einer Veranstaltung der »Humanistischen Union« im Rathaus Schöneberg quälte. Immerhin seien in den vergangenen Jahren rund ein Drittel der Stimmen für rechtsextreme Parteien von Frauen gekommen, konstatierte Christine Holzkamp, Psychologin an der TU. Ähnliche Ergebnisse erwarte sie auch von den Analysen der Berliner Bezirkswahlen — obwohl von 77 gewählten »Republikaner«- Abgeordneten nur 14 Frauen seien.

Eine mögliche Erklärung sieht Holzkamp in der von männlicher Dominanz geprägten Gesellschaft. Der rechten Programmatik gehe es um die Sicherung und Vormachtstellung von Deutschen. Der Verweis auf die »Zukurzgekommenen« sei ein »männlicher Blick«, kritisierte sie die bisherigen Analysen: »Es geht beim Rechtsextremismus weniger um ein soziales als vielmehr um ein kulturelles Phänomen.«

Dieses »Bewußtsein von der Überlegenheit unserer Kultur« sei jedoch von Männern und Frauen gleichermaßen seit der Kindheit verinnerlicht worden. Für viele Frauen seien die in den rechten Programmen angebotenen traditionellen Frauenrollen »einfacher und übersichtlicher«. Die heutige Doppel- und Dreifachbelastung würde durch Werte wie »Fürsorge und Mütterlichkeit scheinbar aufgehoben«. Deutlich werde dies in dem Wunsch, sein Kind in Kindergärten mit »weniger Ausländern zu schicken«. Einen weiteren Grund für die Attraktivität rechtsextremer Parteien sieht Holzkamp in der Angst vor sexueller Belästigung durch fremdländische Männer. Ausgeblendet werde dabei jedoch, daß »auch deutsche Männer vergewaltigen und belästigen«.

Der Politologe Richard Stöss von der FU warnte davor, »dem Wahlverhalten absolut tiefgründige, politische Motivation zu unterstellen«. Stöss plädierte dafür, vielmehr das rechtsextreme Potential empirisch zu messen. Demnach gibt der überwiegende Teil der Wähler mit ausgeprägt rechtsextremistischen Einstellungen immer noch der CDU und der SPD seine Stimme, wie Stöss anhand einer Berliner Untersuchung von 1990 belegte. Ein geschlechtsspezifischer Unterschied im rechtsextremistischen Potential sei »nach allen Untersuchungen« in der Bundesrepublik zwischen Männern und Frauen nicht festzustellen. Allerdings zeigten sich deutliche Unterschiede beim Blick ins Detail, wie Stöss erläuterte: Bei den Arbeitslosen äußerten 19 Prozent der Männer rechtsextreme Einstellungen, hingegen nur 8 Prozent der Frauen. Für Stöss ein Indiz dafür, daß es trotz größerer Frauenarbeitslosigkeit keine »weiblichen Modernisierungsverliererinnen« gibt: »Dies ist eine reine Männerthese.«

Für die Zukunft forderte Holzkamp, bei Forschungen die »Korrespondenz zwischen der Geschlechterrolle und dem rechtsextremistischen Potential« stärker zu berücksichtigten. Daher müsse das »männliche Dominanzverhalten« bei der Erfassung rechtsextremer Einstellungen erfaßt werden. »Präventiv« forderte sie darüber hinaus eine »antisexistische« Jugendarbeit: »Das heißt für mich, daß sich Männer auch als Männer fühlen können, ohne gleichzeitig aggressiv zu sein.« Severin Weiland