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„MIR WURDE SCHLECHT, EIN POLIZIST MUSSTE WEINEN“ Von Ralf Sotscheck

Vor 18 Monaten hatte ich einen Schlaganfall, dann fand ich heraus, daß der Nachbar meine Frau bumste, und so habe ich sie rausgeschmissen. Und jetzt das hier“, sagte ein Bauer aus dem Dorf Castlemorton in Südwestengland. „Das hier“ waren 25.000 New Age Travellers und Ravers, die sich in der vergangenen Woche auf der Gemeindewiese niedergelassen hatten und ein Festival feierten.

Festivals dieser Art — wenn auch nicht in dieser Größe — finden seit 1988 fast jede Woche statt. Damals schlossen sich die urbanen Ravers mit ihrem Acid House und Techno- Rock dem traditionellen Stonehenge-Fest der Hippies an, doch die Polizei sorgte dafür, daß die Party schnell vorbei war. Seitdem werden die Festivals im Untergrund organisiert. Für die Boulevardpresse sind die Hippies ein gefundenes Fressen: Sie werden als „Krusties“ und „Seifenscheue“ bezeichnet, die sich Drogenexzessen hingeben und die Landbevölkerung terrorisieren. Selbst der seriöse 'Independent‘ zitierte John Thornley von Verband der Schafzüchter: „Wir wurden in Castlemorton mit einem Lamm konfrontiert, dem das Gesicht fehlte und die Eingeweide herausgerissen waren. Mir wurde schlecht, und ein Polizist mußte weinen.“ Kein Wunder, daß die Bewohner Castlemortons nach diesen Schreckensmeldungen zur Selbstbewaffnung griffen.

Viele klagten darüber, daß sie sich wegen der lauten Musik „komisch im Kopf“ fühlten und jeden Sinn für die Realität verloren hätten. Von dem Plan, die gesamte Gemeindewiese niederzubrennen, nahm man dann aber doch Abstand, weil dort im nächsten Monat das Dorffest stattfinden soll — ohne die Hippies, versteht sich. Besonders erbost war man über die Untätigkeit der Polizei. Ein Bewohner erzählte, daß drei Polizisten in ihrem Auto eingekeilt waren, während ein Hippie auf der Motorhaube saß und fröhlich LSD verteilte. „Die Beamten lachten nur“, empörte sich der Mann. Um so erstaunter war man, als die Bürgerschrecks am Wochenende plötzlich begannen, die Wiese aufzuräumen und den Müll in 16 Großcontainer zu laden, bevor sie weiterzogen.

Doch die Polizeieinheit war inzwischen verstärkt worden und lauerte am Ortsausgang, wo sie über 20 Fahrzeuge beschlagnahmte — wegen Fahruntüchtigkeit. Seitdem belagern etwa hundert Hippies das Polizeirevier. „Mein Auto heißt Blim und ist unser Zuhause“, sagte die 32jährige Linda Bowling, die in dem alten Bedford-Bus mit ihren drei Kindern und dem Chinchilla Gismo lebt. Gismo war am Montag noch in Polizeigewahrsam, weil er sich im Bus versteckt hatte. Seit die Hippies aus Castlemorton abgezogen sind, geht in den benachbarten Grafschaften die Angst um. Die Polizei hat Hippie- Sondereinheiten aufgestellt, deren einzige Aufgabe es ist, sich an die Fersen der bunten Konvois zu heften— ein vergebliches Unterfangen. „Wir sind überhaupt nicht gut organisiert“, sagt Martin, ein New Age Traveller. „Es ist das Chaos, das uns zusammenhält.“

In Wales haben die Bauern inzwischen einen „Hippie-Wachdienst“ aufgestellt. Zu den Mitarbeitern gehören auch Straßenbauarbeiter und die Fahrer der mobilen Bibliotheken.

Wenn der erste Hippie gesichtet wird, sperren die Bauern — bewaffnet mit Jauche und Kuhmist — ihre Felder mit Traktoren ab. Julian Salmon vom Bauernverband sagt: „Ich fürchte, es wird schon bald eingeschlagene Köpfe geben.“

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