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Pinguine verschlingen schwarze Falken

■ Die Pittsburgh Penguins gewannen auch das vierte Spiel gegen die Chicago Blackhawks und holten zum zweiten Mal hintereinander den Stanley Cup der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL

Berlin (taz) — Nichts kann Mario Lemieux stoppen. Weder sein notorisch lädierter Rücken noch eine gebrochene linke Hand, und irgendwelche hergelaufenen Gegenspieler schon gar nicht. Längst ist „Super- Mario“, wie der Star der Pittsburgh Penguins unvermeidlich genannt wird, aus dem Schatten des großen Wayne Gretzky getreten, fast einstimmig wurde er zum besten Spieler der Finalserie, die die Pinguine mit 4:0 gegen die Chicago Blackhawks gewannen, gewählt. Der klare Ausgang der Serie täuscht darüber hinweg, wie knapp es in den einzelnen Partien zuging, wie eng Sieg und Niederlage beeinanderlagen. Daß die Waagschale am Ende immer zugunsten der Penguins ausschlug, war vor allem einem Mann zu verdanken: Mario Lemieux.

Nach dem ersten Stanley-Cup- Gewinn in 25 Jahren NHL-Zugehörigkeit, der in der letzten Saison durch ein 4:2 gegen die Minnesota North Stars erreicht wurde, hatten die Pittsburgher eine mittelmäßige Punktrunde absolviert. Nach dem Tod von Coach Bob Johnson, der an einem Gehirntumor starb, und der Rückenverletzung von Lemieux war eine Zeitlang sogar der Einzug in die Playoffs in Frage gestellt. Wie schon 1991 liefen die Spieler aus der Stahlmetropole jedoch genau, als es darauf ankam, wieder zu Hochform auf. Durch die Verpflichtung des robusten Rick Tocchet wurde der Angriff noch gefährlicher, und die Abwehr stand vor allem in Unterzahl wie ein Felsblock vor dem Tor von Tom Barrasso, dem mit jedem Spiel eine Hand mehr zu wachsen schien. Am Ende gab es elf Siege in Folge — neuer NHL-Playoff-Rekord.

Das große Problem von Chicagos Trainer Mike Keenan vor dem Finale hieß natürlich Mario Lemieux. „Sie haben Pittsburgh nicht körperlich angegriffen“, warf er den Boston Bruins vor, die gegen die Penguins im Halbfinale sang- und klanglos untergegangen waren. Körperliches Spiel ist eine Spezialität der Blackhawks, doch gerade Lemieux ist nicht leicht zu erwischen. Er hält sich aus den Ecken fern, weicht den anstürmenden Abwehrbollwerken geschickt aus und spielt den Puck ab, bevor er in Bedrängnis gerät. „Du kannst einen Spieler von solcher Großartigkeit nicht komplett ausschalten“, gab Keenan zu, „aber du kannst seine Möglichkeiten begrenzen.“

Genau das gelang den Chicago Blackhawks nicht. Am 4. Mai hatte ein Stockschlag des New York Rangers Adam Graves Lemieux das linke Handgelenk gebrochen, knapp zwei Wochen später sauste er schon wieder kreuzfidel übers Eis. Im ersten Finalspiel führten die schwarzen Falken aus Chicago bereits 4:1 und waren hoch überlegen. Doch Tocchet und Lemieux schafften noch im zweiten Drittel den Anschluß, das tschechoslowakische Lemieux- Double Jaromir Jagr erzielte fünf Minuten vor Schluß den Ausgleich, und kein anderer als Super-Mario war es, der zwölf Sekunden vor Schluß den Siegtreffer für Pittsburgh schoß. Im zweiten Match steuerte Lemieux gleich zwei Treffer zum sicheren 3:1-Sieg seines Teams bei, doch seine Galavorstellung gab er am Montag abend in der vierten Partie.

Das dritte Match hatte mit einem mageren 1:0 für die Penguins geendet, diesmal stand es im Chicago Stadium bereits nach sieben Minuten 2:2. Jagr hatte in der zweiten Minute Pittsburgh in Führung gebracht, die siebte Minute brachte dann drei Tore in dreißig Sekunden. Erst glich Dirk Graham aus, dann traf Kevin Stevens für die Gäste, und achtzehn Sekunden später war wieder Graham erfolgreich. Inzwischen war Chicagos Star-Torwart Ed Belfour entnervt vom Eis geschlurft und durch den über die Beförderung erstaunten Dominik Hasek ersetzt worden. Doch auch der war machtlos, als Lemieux in der 11. Minute sein 16. Playoff- Tor schoß. Die Blackhawks, weit entfernt von jeglicher Resignation, schafften in der 17. Minute, wiederum durch Captain Graham, das 3:3, und im Handumdrehen war das Eis von Hunderten von Baseballmützen übersät, die die Fans begeistert von sich geschleudert hatten. Während Chicago-Coach Keenan die Erdnüsse immer heftiger in seinen Mund schaufelte, beendeten beide Teams dieses phänomenale Anfangsdrittel, indem sie vier Minuten lang ein wahres Puckfeuerwerk mit etlichen Torchancen abbrannten.

Der nächste Treffer fiel aber erst nach 58 Sekunden des zweiten Drittels durch Tocchet, und in der Folge zeigte sich, warum Pittsburgh schließlich verdient den Stanley Cup '92 gewann. Während Chicago einen ständigen Dauerdruck produzieren mußte, um zu Torchancen zu kommen, waren die Penguins mit ihren florettartigen Blitzangriffen über Lemieux, Jagr, Tocchet, Stevens und Trottier stets brandgefährlich. Als Lemieux freie Schußbahn hatte, den Puck aber statt dessen rückwärts durch die Beine in den Lauf des anstürmenden Stevens legte — der knapp vorbeischoß —, stand selbst das Chicagoer Publikum begeistert auf den Stühlen. Hasek stellte sich mutig den Angriffen entgegen, klärte dreimal gegen den allein auf ihn zustürmenden Lemieux, der sich solche Gelegenheiten sonst so gut wie nie entgehen läßt, und warf sich einmal weit vor seinem Tor dem völlig freien Stevens entgegen.

Umsonst. Zwar keimte Hoffnung auf, als Roenick in der 35. Minute noch einmal den Ausgleich schaffte, doch im letzten Drittel sorgten Tore durch Murphy (45.) und Francis (48.) für betroffene Ruhe in der Halle. Roenicks Anschlußtreffer zum 5:6 neun Minuten vor Schluß war alles, was für Chicago noch heraussprang, und als Barrasso in den letzten zehn Sekunden noch dreimal gegen die wild stürmenden Hawks geklärt hatte, durften Lemieux und seine Mitstreiter endlich den verehrten Monster-Cup, der wie eine mit einem Büchsenöffner kollidierte „Gemini“-Raumkapsel aussieht, schwenken, in die Luft werfen, mit inbrünstigen Küssen bedecken und zu guter Letzt mit einem Hektoliter Sekt auffüllen. Champagner für die Pinguine. Matti Lieske

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