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Gerry McGeough

■ betr.: "Angeklagter IRAler an USA ausgeliefert", taz vom 22.5.92

betr.: „Angeklagter IRAler

an USA ausgeliefert“,

taz vom 22.5.92

Farewell, dear friend.

Gerry war einer der beiden Iren, gegen die seit 1989 in Düsseldorf ein Schauprozeß stattfand, zu dessen Beginn bereits absehbar war, daß da die Beweise der Anklage derart fadenscheinig waren, daß eine tatsächliche Beurteilung wohl kaum zustande kommen würde. Nun, einige Tage vor dem zu erwartenden Freispruch, hat das Oberlandesgericht dem Wunsch der Bundesregierung entsprochen und Gerry an die Vereinigten Staaten ausgeliefert, wo er einen weiteren Prozeß zu erwarten hat, wegen angeblichen Verstoßes gegen dort bestehende waffenrechtliche Bestimmungen. Mit dieser Auslieferung war es dem Oberlandesgericht möglich, sich ganz geschickt aus der Affäre zu ziehen. Wäre Gerry tatsächlich freigesprochen worden, hätte dies einen gewissen Gesichtsverlust für diese Institution bedeutet.

Während der gesamten 130 Prozeßtage hatte Gerry stets seine Unschuld beteuert.

Das Verfahren ist wohl als Exempel zu verstehen, welches zu statuieren sich die Bundesregierung offensichtlich veranlaßt fühlte, um eventuellen weiteren Aktionen durch „ausländische Terroristen“ vorzugreifen und ihnen — sollten sie es dann doch wagen, in diesem unserem Lande tätig zu werden — von vornherein zu zeigen, wie mit ihnen in einem solchen Falle dann verfahren würde.

Meiner Meinung nach waren Gerry McGeough sowie sein Freund Gerry Hanratty einfach nur Iren zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Sicher liegt es im Interesse der Bundesregierung, ihre Willfährigkeit gegenüber der britischen Regierung, gegen die der irische Befreiungskampf gerichtet ist, ebenso unter Beweis zu stellen wie die gegenüber der Gerichtsbarkeit in den Vereinigten Staaten, stellen doch beide Länder äußerst wichtige Partner auf fast allen Gebieten dar.

Es kann ja nun auch wirklich nicht das Bestreben der deutschen Regierung sein, womöglich zwischendurch mal Unabhängigkeit zu beweisen und begangene Fehler einzugestehen sowie wiedergutzumachen.

Ein sehr wichtiger Bestandteil im Kampf gegen den „internationalen Terrorismus“ sind die ach so aufgeklärten Medien, die uns tagtäglich zeitgleich mit den noch warmen Brötchen das Neueste aus aller Welt an den Frühstückstisch bringen. Da erfahren die erschütterten Bundesbürger dann von weiteren Morden im Norden Irlands, wo „fanatische Katholiken“ seit nunmehr zwanzig Jahre ihr Unwesen treiben, wo Unschuldige Bomben zum Opfer fallen, wo lediglich die IRA Unglück über die Grüne Insel bringt. Keine Erwähnung jedoch der jahrzehntelangen Besatzung durch das britische Militär, der ebenso militanten Opposition der IRA, der mindestens genauso viele Menschen zum Opfer fallen wie der IRA. Die Ulster Volunteer Force oder das Ulster Defence Regiment sind nur zwei dieser hier kaum bekannten Gruppen. Nirgendwo finden diese Todesschwadronen Beachtung, kaum ein Vertreter der Medien hält es für notwendig, sich auch zu den neuerlichen Greueltaten dieser Gruppierungen zu äußern. Diese Einseitigkeit — pro-britisch — ist an sich sich gar nicht erstaunlich. Es ist weitaus wichtiger, sich möglichst gut mit der britischen Regierung zu halten. Sowohl politisch als auch finanziell ist kaum etwas aus Irland herauszuholen. Die Butter, den Whiskey und vielleicht noch einen schönen Aran-Pullover kann man mittlerweile eh fast überall erstehen. Abgesehen von den „Troubles“ ist Irland heute mehr „Geheimtip“ denn je. Gerry McGeough hat sich stets dazu bekannt, Republikaner und Nationalist (beides ist im irischen, nicht im deutschen Sinne zu verstehen) zu sein. Diese ihm eigene Aufrichtigkeit ist ihm in gewisser Weise zum Verhängnis geworden. Wer sich zu etwas bekennt, das nicht der allgemeinen Auffassung entspricht, macht sich zumindest schon mal verdächtig. [...]

Von hier aus möchte ich Gerry McGeough alle nur erdenkliche Kraft und meine aufrichtige Solidarität über das große Meer zukommen lassen. Eyra Achterrrath

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