Mit dem Mikro gegen den Mafia-Boss?

■ Gesetz zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in zweiter und dritter Lesung im Bundestag/ „Halbkriminelle Geheimpolizei“ hat gute Chancen, zum Einsatz zu kommen

Berlin (taz) — Das Urteil der Bundestagsabgeordneten Ingrid Köppe (Bündnis 90/Grüne) war drastisch. Bei der ersten Lesung des Gesetzes zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OrgKG) im Bundestag urteilte die Bürgerrechtlerin schroff: „Eine halbkriminelle Geheimpolizei wird nicht dem Recht und der Gerechtigkeit zum Durchbruch verhelfen, sondern mit ungerechten Methoden ihre eigene Grundlage untergraben.“

Die erste Lesung des Gesetzentwurfes fand bereits im September letzten Jahres statt. Nach den gestrigen Beratungen im Innen- und Rechtsausschuß wird der Entwurf des OrgKG den Bundestag heute aller Wahrscheinlichlichkeit nach ohne große Mühe in zweiter und dritter Lesung passieren. Im Juni wird dann die Zustimmung durch den Bundesrat erwartet.

Der Einsatz von Geheimpolizisten, von elektronischen Wanzen, Rasterfahndungen oder von „ähnlichen Errungenschaften einer Überwachungsbürokratie“, der mit der Verabschiedung des OrgKG-Entwurfes legalisiert werden soll, gilt der Bündnisabgeordneten Köppe als weitere „Scheibe der Rechtsstaatlichkeit, die abgeschnitten“ werden soll. Der Nutzen — prognostizierte sie angesichts der Erfahrungen im Ausland — werde „auch bescheidener sein, als die Befürworter es verheißen“. Die Kritik der Bundestagsabgeordneten, die auch von etlichen Polizeiforschern geteilt wird: „Gerade die vorgesehenen Änderungen der Stafprozeßordnung schaffen weniger etwas Neues, als vielmehr die Legalisierung einer langjährigen Praxis.“

Der Gesetzentwurf, der den Polizeien der Länder und des Bundes die lang ersehnte „Waffengleichheit“ (BKA-Präsident Hans-Ludwig Zachert) im Kampf gegen das organisierte Verbrechen verschaffen soll, geht auf eine gemeinsame Initiative der SPD- und unionsregierten Bundesländer in einer Sitzung des Bundesrates vom 22. April 1991 zurück. Das OrgKG im vorliegenden Entwurf bündelt eine Reihe verschiedener gesetzlicher Maßnahmen, mit denen unter anderem

—verdeckte Ermittlungsmethoden (wie verdeckte Ermittler, polizeiliche Beobachtungen, Rasterfahndungen und der Einsatz optischer und akustischer Überwachungsgeräte) legalisiert werden;

—eine Vermögensstrafe für Täter im Bereich der Organisierten Kriminalität eigeführt wird;

—der Straftatbestand der Geldwäsche eingeführt wird;

—und Maßnahmen des Zeugenschutzes (das heißt die Geheimhaltung von Identität und Aufenthalt von Zeugen und gegebenfalls deren Ausstattung mit neuen Personalpapieren).

Ein gestern im Rechtsausschuß auch mit den Stimmen von SPD und FDP verabschiedeter Entschließungsantrag macht deutlich, daß mit der Inkraftsetzung des OrgKG die Debatte um eine weitere Aufrüstung der Polizeien keineswegs abgeschlossen sein wird. In ihrem Antrag fordern die Rechtsausschüssler vom Bundestag ein positives Votum für ihr neustes Projekt: der Änderung des Grundgesetzes, damit der sogenannte „große Lauschangriff“ ermöglicht wird.

Die etwas eigentümliche Begründung des rechtspolitischen Sprechers der Bonner CDU/CSU-Fraktion: „Der Deutsche Bundestag muß mit großer Mehrheit deutlich machen, daß die Pistole in der Hand des Mafia-Bosses gefährlicher ist als das Mikrophon in der Hand eines Polizisten“. Wolfgang Gast