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INTERVIEWDen Privaten selbst den Boden bereitet

■ Hans Abich, der große alte Mann des deutschen Fernsehens, zur Bedrängnis von ARD und ZDF

Hans Abich (73) arbeitete nach 1945 zunächst als Filmproduzent. Später war er Berater beim Aufbau des Fernsehens in Bremen, dann Programmdirektor und Intendant von Radio Bremen und schließlich, bis 1978, Programmdirektor der ARD — ein Mann, der die Mediengeschichte der Republik mitgeschrieben hat.

taz: Herr Abich, wie können ARD und ZDF dem Druck der Privaten in den neunziger Jahren standhalten?

Hans Abich: Wie ich glaube, wird das eine ganz schwierige und riskante Angelegenheit. Die Verantwortlichen in den Anstalten waren auf die Konkurrenz der Privaten schlecht eingerichtet, obwohl die Situation rundfunkpolitisch absehbar war. Andererseits sind sie in Bereichen vorgeprescht, bei denen sie lieber zurückhaltender hätten sein sollen: Sie haben die Privaten an manchen Stellen überholen wollen. Sie wollten ganz vorneweg sein und haben im Zuge dessen eigene Ansprüche nivelliert. Damit haben sie zwar eine größere Beliebtheit beim Publikum erreicht, aber auch dem Erfolg der Privaten in seiner ganzer Breite den Boden bereitet.

Auf die Quoten geschielt haben ARD und ZDF doch aber auch schon, bevor die Kommerziellen antraten...

Diese Binnenkonkurrenz war so groß nicht. Auch ist sie durch Koordinationsabkommen ausbalanciert worden. Ganz früher gab es — besonders beim Hörfunk — Redakteure, die auf einen reinen Minderheitenerfolg fast stolz waren. Inzwischen jedoch ist der Publikumserfolg, die Einschaltquote, gleichbedeutend mit dem Werbeerfolg. Bei der Finanzierung durch Gebühren und Werbung, die es ja immer schon gab, rächt sich das jetzt.

Wäre etwa ein Werbeverbot für die Öffentlich-Rechtlichen eine Lösung?

Dann dürfte die Gebühr aber nicht mehr von den Politikern als Brotpreis hingehalten werden. Das Publikum ist mit einer bislang geringen Gebühr eher verwöhnt worden. Eine weitere Erhöhung der Rundfunkgebühr würde vermutlich nicht akzeptiert werden. Die Expansion — mit der Besetzung aller Morgen- und Mittagslücken, den Satellitenprogrammen und dem neuen Kulturkanal „arte“ — ist schon viel zuweit gegangen. Die Gründung von „arte“ war nicht der Weisheit letzter Schluß.

Aber wie sollen denn die Anstalten agieren?

Ich weiß keine Patentantwort. Wer weiß die schon? Ich zweifle selbst an meiner bisherigen Erwartung, daß das Publikum sich auch einmal wieder anders entscheiden wird. Das Publikum wird unterfordert, es muß sich nicht anstrengen. Ich habe mir immer vorgestellt, daß die Leute sich irgendwann die Augen reiben und sagen: Das ist aber nicht das ganze, das komplette Programm, das ich mir vorgestellt habe.

Sehen Sie die öffentlich-rechtlichen Sender jetzt schon mit dem Rücken zur Wand, oder kommt das erst später, Ende des Jahrhunderts?

Die Krise ist älter; das war in der Zeit, als die Anstalten nicht auf sich selbst aufgepaßt haben. Es war die Zeit, als plötzlich alle einen Fernseher besaßen. Dieser Erfolg war so leicht meßbar. Auch beherrschte man damals noch das Feld. Man hätte sparsamer sein können und müssen. Außerdem sind die Anstalten mit einem aufgeblasenen Apparat behaftet, daher fällt das Abspecken schwer. Meine Hoffnung richtet sich auf eine kritische Rückbesinnung eines nennenswerten Teils des Publikums.

Der Rundfunk beginnt seine integrative Funktion zu verlieren, der Markt teilt sich auf in Sparten und spezielle Interessen. Kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk das mitmachen, oder ist er dazu verdammt, seinem aufklärerischen Auftrag treu zu bleiben?

Das ist das Kernproblem. Denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann sich nicht nur für Minderheiten engagieren. Damit würde er seine Position als Ansprechbasis für größere Publikumsteile verlieren und seinen alten Auftrag vernachlässigen. Die Qualität einfach hinten runterfallen zu lassen — das würde keiner Anstalt so übelgenommen wie gerade ARD und ZDF.

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