piwik no script img

„Vorbeugehaft“ für Dissidenten

■ Kritik an der Bonner Aufhebung der Wirtschaftsbeschränkungen gegen China Proteste gegen Verhaftung und Mißhandlung ausländischer Journalisten in Peking

Peking (dpa/taz) —Als „unangemessen und zynisch“ bezeichnete amnesty international gestern den Bonner Beschluß zur künftigen deutsch-chinesischen Wirtschaftszusammenarbeit. Just am Vorabend des dritten Jahrestages des Tiananmen-Massakers hatte der Auswärtige Ausschuß des Bundestags entschieden, die 1989 wegen der katastrophalen Menschenrechtslage in China verfügte Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen vorerst vollständig aufzuheben.

Diese Entscheidung „verhöhne die Opfer der allgegenwärtigen Unterdrückung in China“, erklärte ai und wies darauf hin, daß bis heute in den chinesischen Gefängissen immer noch Tausende sitzen, deren einziges „Vergehen“ es ist, die Regierung kritisiert und demokratische Reformen gefordert zu haben. ai und andere Menschenrechtsorganisationen haben erst kürzlich wieder umfangreiche Berichte über das massive Ausmaß fortwährender Repressionen in Form von politischer Haft, Folter und „Umerziehung durch Arbeit“ vorgelegt.

Der außenpolitische Sprecher der FDP—Fraktion, Ulrich Irmer, räumte gestern ein, der Zeitpunkt des Bonner Beschlusses sei „außerordentlich mißlich“. Der Auswärtige Ausschuß habe die gesperrten Kredite für China in Höhe von 600 Millionen Mark auch freigegeben, weil sie zum Ankauf von Großschiffen in den neuen Bundesländern bestimmt seien, erklärte er. Im übrigen werde die Bundesregierung nach wie vor die strikte Einhaltung der Menschenrechte einfordern.

Auch in den USA kam es zu empörten Reaktionen auf die Entscheidung des Präsidenten George Bush, die Handelspräferenzen für China um ein weiteres Jahr zu verlängern. Kongreßabgeordnete legten am Mittwoch einen Gesetzesenwurf vor, nach dem Handelssanktionen gegen Produkte verhängt werden sollen, die in chinesischen staatlichen Unternehmen hergestellt werden.

In China selbst hat die Sicherheitspolizei zum Jahrestag des Pekinger Massakers einige Dissidenten in eine Art Vorbeugehaft genommen und andere vor Protestaktionen gewarnt. Vorübergehend festgenommen wurde in der Nacht zum Donnerstag in Peking auch der bekannte Arbeiter-Aktivist Han Dongfang (29), der während der Demokratiebewegung von 1989 die erste unabhängige Gewerkschaft in China gegründet hatte und zweieinhalb Jahre im Gefängnis saß.

Die strengen Sicherheitsvorkehrungen mit einem Großaufgebot an Polizisten in Uniform und vor allem Zivil auf dem Tiananmen-Platz wurden auch am Donnerstag fortgesetzt. Die chinesische Regierung hielt unterdessen den am Vortag auf dem Tiananmen-Platz in Peking vorübergehend festgenommenen und teils auch geschlagenen ausländischen Korrespondenten vor, sie hätten sich „illegal“ dort zu Arbeitszwecken aufgehalten. Für „Recherchen“ auf dem Tiananmen-Platz sei zuvor eine Genehmigung einzuholen, sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wu Jianmin. Ein japanischer Journalist mußte sich im Krankenhaus behandeln lassen. Die Regierungen der Bundesrepublik, der USA, Kanadas und Japans protestierten bei der chinesischen Regierung dagegen, daß Korrespondenten aus ihren Ländern vorübergehend festgenommen oder malträtiert wurden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen