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Hoyerswerda auch in Mannheim?

Im Mannheimer Ortsteil Schönau belagern seit einer Woche aufgebrachte BürgerInnen eine Asylbewerberunterkunft/ CDU-Gemeinderätin: „Wir sind alle hilflos“  ■ Aus Mannheim Ulrich Dill

Zum großen Knall kam es am Vatertag. Beim traditionellen Siedler- Waldfest nahe der Kaserne im Mannheimer Stadtteil Schönau, wo momentan 60 Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus Afrika leben, gab es unter Alkoholeinfluß eine Massenschlägerei. Bei dieser Randale verbreitete sich plötzlich das unerklärliche Gerücht, ein Afrikaner aus der Kaserne habe eine 16 Jahre alte Schönauerin vergewaltigt. Nachdem zunächst einmal die Polizei das Fest vorzeitig beendet hatte, zogen die größtenteils total Betrunkenen vor die Kaserne und grölten ausländerfeindliche Parolen. Im Nu sprach sich das in ganz Schönau herum, und bis zum Abend wuchs die neugierige und aufgebrachte Menge auf über 300 Köpfe an. Die aufgebrachten Bürger, überwiegend Jugendliche aus dem nahen Schönau- Nord, das einen überdurchschnittlichen Anteil an Arbeitslosen und SozialhilfeempfängerInnen aufweist und als größter Drogenumschlagplatz im Rhein-Neckar-Raum gilt, ließen sich auch durch den herbeigeeilten OB Gerhard Widder nicht beruhigen. Erst ein massives Polizeiaufgebot konnte sie zurückdrängen.

Doch bei diesem Vorfall blieb es nicht. Seitdem ist die Kaserne schon so häufig durch aufgebrachte Schönauer und mittlerweile auch durch von weit her Angereiste mehrmals belagert worden, daß die Mannheimer „Initiative Freie Flüchtlingsstadt“ eingeschritten ist und die Flüchtlinge durch zwei Zäune und einen Wachdienst schützt.

Im Mannheimer Stadtteil Schönau brodelt es seit Jahresbeginn. Als die US-Army 1991 ihre Gendarmeriekaserne am Ortsrand aufgegeben hatte, verständigten sich das Land Baden-Württemberg und die Stadt Mannheim darauf, daß der dreiteilige Gebäudekomplex nach einer Umgestaltung als Sammelunterkunft für AsylbewerberInnen genutzt werden sollte. Im Stadtteil, der arm ist an Infrastruktur, kaum über Kindergartenplätzen, Räume für Jugendliche oder gar ein Bürgerzentrum verfügt, hätten sich viele der 15.000 Einwohner eine andere Nutzung gewünscht.

So war man denn auch geteilter Meinung, was durch den Zuzug der AsylbewerberInnen zu erwarten sei. Beschäftigten aus dem Sozialbereich, Geschäftsleuten und einzelnen Parteipolitikern, die im Stadtteil leben und/oder arbeiten, traute denn auch dem Frieden nicht und schaltete gegen etlichen Widerstand einiger Honoratioren eine Anzeige, mit der sie um Verständnis für die Situation der AsylbewerberInnen warben.

Wie bitter recht sie mit ihren Befürchtungen behielt, wird jetzt deutlich. Rainer Baschwitz, Ini-Sprecher und Geschäftsführer der Mannheimer Grünen, sieht jetzt nur noch einen Weg: Das Sammellager auflösen und neue Nutzungsmöglichkeiten für die Kaserne überlegen. Ganz anderer Meinung ist Regina Trösch, CDU-Gemeinderätin und Vorsitzende des eigens für das Sammellager gebildeten Stadtteil-Beirates: „Die meisten Schönauer verurteilen die Vorfälle, haben damit nichts zu tun und wollen friedlich mit den Asylbewerbern zusammen leben.“

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