: USA frieren 100-Millionen-Kredit für Nikaragua ein
Nikaraguas rechter Parlamentspräsident Cesar intrigierte in Washington/ Regierungschefin Chamorrro sauer ■ Von Ralf Leonhard
Managua (taz) — „Unglaublich, daß wegen eines politischen Wirrkopfes die Dollarhilfe aufgehalten wird“, wettert der konservative Abgeordnete Andres Robles im Parlament. Auch der sonst so gefaßte Präsidialminister Antonio Lacayo kann seine Wut kaum verbergen, als er bestätigte, die USA hätten einen 100-Millionen-Dollar-Kredit über Nacht eingefroren. Die Präsidenten der mittelamerikanischen Staaten, die sich gestern in Managua trafen, drückten sich vornehmer, aber nicht weniger entschieden aus: Internationale Hilfe dürfe nicht an Bedingungen geknüpft sein.
Der Zorn des Abgeordneten Robles galt Parlamentspräsident Alfredo Cesar, der bei seiner jüngsten Reise nach Washington wieder einmal gegen die Regierung von Violeta Chamorro intrigiert hatte. Eine Gruppe von Senatoren und Kongreßabgeordneten, angeführt von dem für seine reaktionären Positionen berüchtigten Senator Jesse Helms, hatte Frau Chamorro in einem Brief gemaßregelt, weil einst von den Sandinisten enteignete Großgrundbesitzer ihre Haciendas nicht schnell genug zurückbekommen, weil die Armee noch immer von einem sandinistischen General befehligt wird und auch aus der Polizei nicht alle Spuren sandinistischen Einflusses getilgt sind. Der gerade am Beginn des Agrarzyklus dringend benötigte Kredit wird bis auf weiteres zurückgehalten. Alfredo Cesar, der kein Geheimnis daraus macht, daß der Brief auf sein Betreiben zustandegekommen ist, wirft der Regierung vor, über die Verwendung der Wirtschaftshilfe nicht befriedigend Rechenschaft abzulegen.
„Wer am meisten draufzahlt, sind natürlich wieder die Kleinbauern“, fürchtet Ariel Bucardo von der Kleinbauernunion UNAG. Aber auch der Chef der Handelskammer, Alejandro Ruiz, der dem konservativen Flügel im Parlament sonst politisch nahesteht, hat für die Politintrige nur Kopfschütteln übrig: „Nikaragua exportiert für 250 Millionen Dollar und kauft im Ausland Waren für 800 Millionen ein. Die Differenz muß über Wirtschaftshilfe finanziert werden.“ Und Violeta Chamorro, die in einem wütenden Brief ans Parlament eine unzweideutige Erklärung für die Auszahlung des Kredites forderte, drohte mit Steuererhöhungen: „Im Wirtschaftsplan ist für solche Notfälle kein Spielraum vorgesehen.“
Cesar könnten den Machtkampf verlieren, da Abgeordnete der Regierungsfraktion gemeinsam der sandinistischen Minderheit dem Wunsch der Präsidentin nachkommen wollten. Deswegen dehnte der Präsident der Nationalversammlung den protokollarischen Teil der Sitzung so lange aus, bis keine Zeit mehr blieb, den Brief zu verlesen. Eine Gruppe von Abgeordneten will Jesse Helms jetzt zum Einlenken bewegen.
Alfredo Cesar ist der einflußreichste Gegner der stillschweigenden Koalition zwischen der Technokratenfraktion um Antonio Lacayo und den oppositionellen Sandinisten, die die Parteien des einstigen Wahlbündnisses UNO weitgehend von den Schaltstellen der Macht ausschließt. Seine Macht ist allerdings stark beschnitten, seit sich innerhalb der UNO-Fraktion eine „Zentrumsgruppe“ gebildet hat, die auf Regierungslinie liegt. In Nikaragua hat die Unsitte, bei innenpolitischen Konflikten die USA beizuziehen, Tradition. Uncle Sam wurde im vergangenen Jahrzehnt gegen die Sandinisten angerufen. Und schon im vorigen Jahrhundert holten sich die Liberalen im Bürgerkrieg gegen die Konservativen ein Söldnerheer aus dem Norden. Nach gewonnenem Krieg erklärte sich damals der Söldnerführer William Walker zum Präsidenten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen