: Ossi-Partei sorgt für Adrenalinstöße
■ CDU-Diestel dementiert die geplante Gründung einer Ossi-Partei und spricht statt dessen von einer „Sammlungsbewegung“/ Bonn einig: Bloß keine Partei des Ostens (PDS)!
Berlin (dpa/taz) — Friedrich Bohl hat seine Meinung schon fertig: „Die Kommunisten wollen wieder einmal unser Land spalten: Statt Spalterfahne jetzt Spalterpartei“, kommentiert der Kanzleramtsminister die Idee zur Gründung einer Ost-Partei, an der sich auch die PDS interessiert zeigt. Unterdessen schaltet Peter- Michael Diestel, Urheber des Projekts einer Ost-Partei, taktisch einen Gang zurück: Er wolle doch gar keine Partei gründen, glättet Diestel die Wogen; schließlich sei er Mitglied der CDU. „Selbstverständlich“, sei es jedoch, daß „von vielen über eine Sammlungsbewegung nachgedacht“ werde. Man solle sich an die Ideen gewöhnen, „die den etablierten Parteien vielleicht nicht schmecken“. Während martialische Stimmen à la Bohl in erster Linie Aufschluß über den Adrenalinspiegel der Union geben, kleiden einige Ost-Politiker ihre Ablehnung in Nachdenklichkeit. Diestel habe, so die stellvertretende CDU-Vorsitzende Merkel „durchaus recht“, wenn er mehr Rücksicht auf die spezifischen Erfahrungen der Ostdeutschen und deren Stimmungslage anmahne. Dennoch solle Diestel — statt zu provozieren und „dauernd Druck über die Öffentlichkeit zu machen“, sich lieber parteiintern für die Belange der Ostdeutschen einzusetzen. FDP-Generalsekretär Lühr erklärte die Protagonisten des Ost-Gewächses zu „Trittbrettfahrern“, die „mit einer Spaltungspartei eigene Machtinteressen verfolgen“. Als Gegenmittel empfahl Lühr eine Verstärkung des „intensiven Dialogs auf allen gesellschaftlichen Ebenen“. Auch SPD-Vize Thierse bekundet angesichts „der Stimmungslage tiefer Resignation, Wut oder Enttäuschung“ schon „einiges Verständnis“ für Diestels ungelegtes Ei. Doch es sei kein Zufall, daß ausgerechnet ostdeutsche CDUler auf solche Ideen kämen: „Da wollen sich die Parias einer Partei versammeln, die als Ostdeutsche dort nichts zu sagen haben.“ Das dürfte Diestel, der vom brandenburgischen CDU-Chef Ulf Fink wegen zu lascher Oppositionspolitik aus dem Amt des Fraktionsvorsitzenden gedrängt wurde, ähnlich sehen. Mittlerweile häufen sich die Unionsstimmen, die Diestel wegen seiner Pläne aus der Union ausschließen wollen. CDU-Generalsekretär Hinze erklärte gestern mit Unterstützung Finks, für Diestel sei der „Ausschluß fällig“, falls der „zu einer Neugründung schreite“. Fink nannte Überlegungen zu einer Ost- Partei vor allem schädlich für die Menschen in den neuen Ländern. Die Einteilung der Menschen in Wessis und Ossis werde die Bereitschaft zum Teilen in Deutschland gerade nicht fördern. Der sächsische Landesverband forderte ebenfalls den Ausschluß. Diestel bastele an einer „Partei von Stasi-Spitzeln und Stasi-Schirmherren“. Das Dilemma der Union: Ein spektakulärer Rauswurf des enfant terrible der ostdeutschen Politszene dürfte die Attraktivität seines Projektes kaum mindern. Kompliziert für die Ost-Strategen dürfte allerdings die Integration der PDS in das neue Projekt werden. Während in der PDS-Zentrale eine Neugründung ohne eine eigene Beteiligung als „verheerend“ eingeschätzt wird, sehen konservative Ost-Lobbyisten, daß ein Bündnis mit der PDS die Attraktivität der Ost- Partei schmälern könnte: Diestel dementierte gestern, daß er mit Gysi gesprochen habe. PDS-Geschäftsführer Gehrke dementierte auch — das Dementi. eis
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen