Feierlicher Selbstbetrug mit provinziellem Charme

■ Die Bundesfilmförderung ist längst nicht so wichtig, wie die Filmpreisverleihung glauben macht

Fünf Millionen Mark hat der Bundesinnenminister am Donnerstag abend verteilt. Nein, nicht an die Regisseure, sondern an die insgesamt neun Produzenten der zehn nominierten Filme. Die Bavaria steckt für Dietls Schtonk 900.000 Mark ein, gekostet hat die Kinofarce 16 Millionen. 900.000 reichen gerade für die Portokasse der nächsten Produktion — die Zeiten, in denen mit solchen Summen in der Höhe von Taschengeld wichtige Filme entstanden (von Fassbinder zum Beispiel), sind lange vorbei. Die Preisverleihung mit ihrem provinziellen Charme: der alljährliche feierliche Selbstbetrug.

40 Millionen Mark gibt die Bundesfilmförderungsanstalt (FFA), die dem Wirtschaftsministerium untersteht, jährlich fürs Kino aus. Gelder übrigens, die kaum aus Steuereinnahmen stammen, sondern aus den Abgaben von Kinobesitzern, Videotheken und Fernsehanstalten. Das ist so gut wie nichts. Allein das Budget der nordrhein-westfälischen Filmstiftung liegt 10 bis 20 Millionen Mark höher, die Länder-Filmetats belaufen sich zusammen auf 150 Millionen. Selbst das ist noch wenig. Frankreich investiert jährlich immerhin 800 Millionen Francs in die Kinokultur, und allein der französische Multi CGE — neuerdings Besitzer von Babelsberg — wird auf dem DEFA-Gelände eine Milliarde Mark investieren.

Überhaupt führen die Franzosen wohl eine intelligentere Politik: Der Kulturminister Jack Lang war es,der Baugiganten wie die Générale des eaux oder den Großunternehmer Francis Bouygues vor ein paar Jahren aufforderte, ins Kino zu investieren, und versprach, sie politisch zu unterstützen. Bouygues gründete die Produktionsfirma Ciby 2000, die groß ins Geschäft eingestiegen ist. Ciby 2000 produziert oder koproduziert die neuen Filme vieler französischer Regisseure wie Maurice Pialat und Jean-Luc Godard, denkt aber zugleich international: auch Regisseure wie Pavel Lungin, Emir Kusturica, David Lynch und vielleicht sogar Spike Lee stehen auf dem Produktionsprogramm von Ciby. Wo ist der deutsche Baulöwe, der sich fürs Kino interessiert?

Währenddessen bezweifelten Bundestagsabgeordnete von CSU bis SPD kürzlich bei der Debatte um die Novellierung des Filmförderungsgesetzes, ob das deutsche Kino ohne die FFA-Gelder überhaupt überleben könne: der blanke Hohn.

Überhaupt, die Novellierung. Noch in diesem Jahr wird sie verabschiedet werden, und wieder wird sich nichts ändern. Die Fernsehanstalten, die sich ihre Produktionen mit staatlicher Förderung subventionieren lassen, werden ihre Abgaben weiterhin nur auf freiwilliger Basis leisten müssen; die Zusatzkopien für Terminator 2, Basic Instinct und andere US-Kassenschlager werden auch künftig aus der FFA-Kasse bezahlt werden. Gremienfilz und Bürokratenklüngel, Kleinstaaterei und Kleckerwirtschaft: alles wie gehabt. Das Gerangel zwischen Innen-, Wirtschaftsministerium und den Länder-Kulturministern wird weitere sechs Jahre fortgesetzt, der Gesamtetat wird um keine müde Mark erhöht. Quoten für einheimische und europäische Produktionen sind nach wie vor nicht erwünscht — in den romanischen Ländern gibt es sie längst. Der Rest ist Kosmetik und orientiert sich mehr als je zuvor am Kommerz.

1991 gingen knapp 90 Prozent der Verleiheinnahmen an die US-Majors. Daß in diesem Verdrängungswettbewerb jährlich circa 40 deutsche Filme gar nicht erst ins Kino kommen, daß für das Filmband nominierte Produktionen, Pizza Colonia zum Beispiel, nur auf Festivals zu sehen waren — daran werden die paar zusätzlichen Prozent für Verleihförderung nichts ändern. Auch die Forderung nach einem Filmexperten in Bonn, der die deutschen Interessen mit Kulturministern und Filmfreaks wie Jack Lang koordinieren und die europäischen Filminitiativen in Brüssel unterstützen könnte, wurde wieder einmal in den Wind geschlagen.

Was eigentlich ist ein deutscher Film? Wenigstens der Eiertanz der Gesetzesnovellierer um diese im EG-Zeitalter heikle Frage hat vorerst ein Ende. Nicht mehr die Nationalität der Macher wird zukünftig ausschlaggebend sein, sondern die Sprache; deutsche Filme müssen auf deutsch gedreht werden. Ein Lichtblick? Wohl kaum. Der Nivellierung der Kinolandschaft zugunsten der amerikanischen Dutzendware können Definitionen wie diese ohnehin nicht verhindern. Christiane Peitz