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»Nationalpazifist« fraß Kreide

■ Heftige Kritik am Volksuni-Vortrag des umstrittenen Friedensforschers Alfred Mechtersheimer/ Nach zahmen Ausführungen konfrontierte man ihn mit Publikationen über den deutschen Friedensstaat

Volksuni. Soviel Publicity wie der Vortrag des Friedensforschers Alfred Mechtersheimer wurde keiner anderen Veranstaltung der diesjährigen Volksuni zuteil. Nach einem Artikel im 'Neuen Deutschland‘ hatte der AStA FU die Ausladung des umstrittenen »Nationalpazifisten« gefordert, der ohne Bauchschmerzen in rechtsextremen Zeitschriften publiziert. Doch Volksuni-Veranstalter Wolfgang Haug verwahrte sich gegen »linke Hygiene« und konnte dank dieser Strategie über hundert Neugierige in Mechtersheimers Vortrag »Deutschland im Nord-Süd-Konflikt« locken. Damit nicht von Beginn an die Fetzen fliegen, heuerte Haug kurzerhand den FU-Professor Ekkehard Krippendorf als deeskalierenden Moderator an.

Allem Anschein nach wäre dies gar nicht nötig gewesen. Mechtersheimer hatte Kreide gefressen, beschränkte sich auf allgemeingültige Analysen und hielt sich mit eigenen Bewertungen zurück. Binnen zwanzig Minuten schrumpfte das enttäuschte Publikum zusammen, Zuhörer warfen vor Langeweile einen Blick in die Zeitung oder knutschten mit dem Nachbarn. Erst als der Friedensforscher mit seinen umstrittenen Publikationen konfrontiert wurde, blickten sie wieder auf.

Kritik hagelte es vor allem an Mechtersheimers Idee des »Nationalpazifismus«. »Nationalismus ist augenblicklich Trumpf«, verwies der Friedensforscher auf die aktuelle Lage im ehemaligen Jugoslawien und der zerfallenen Sowjetunion. Auf diese Entwicklung dürfe man nicht mit »nationalem Nihilismus« reagieren, man müsse »das Nationale als Triebkraft für Veränderung benutzen«. Internationalistische Politikansätze bezeichnete Mechtersheimer als »Hemmnis für Veränderungen vor Ort«: »Kohl jammert über den Regenwald in Brasilien, kriegt aber nicht mal ein vernünftiges Naturschutzgesetz zustande.« Vom Publikum wurden die Ausführungen mit den Worten »Alter Hut« quittiert: »Global denken, lokal handeln war immer unser Prinzip«. Statt dessen verlangte ein Zuhörer eine Rechtfertigung für Mechtersheimers Ausspruch: »Wir müssen den Ami in uns bekämpfen«, hinter dem er »blinden Antiamerikanismus« vermutete. Der Friedensforscher verteidigte den Satz mit dem Hinweis auf den »unvergleichbaren Imperialismus der USA«, zu dem der deutsche Friedensstaat die einzige Alternative biete. »Ich habe keine Ekelbeziehung zu Deutschland«, hielt Mechtersheimer auch denen vor, die sich lieber als Europäer fühlten.

»Kein Problem« sah der Friedensforscher in seiner Autorenschaft für die rechtsextreme 'Junge Freiheit‘ (JF), für die unter anderen auch Ex- Republikaner Carsten Pagel und Auschwitz-Leugner David Irving schreiben. In einem Leserbrief lobte Mechtersheimer die 'JF‘ sogar als Zeitung, die die »nationalen Fragen offen behandelt« und einen »Beitrag zur Befreiung vom 'Nationalen Komplex‘ der Deutschen geleistet« habe. Selbst auf den verfälschten Abdruck eines Artikels in der österreichischen Neonazizeitung 'Sieg‘ fand Mechtersheimer nur die Worte: »seid doch nicht so dogmatisch«. Ohne Antwort blieb die Frage des Publikums, warum er dann auf die Kritik im 'Neuen Deutschland‘ gleich mit einem Gegenflugblatt geantwortet habe.

Trotz der aufgeheizten Diskussion dachte niemand daran, den »Nationalpazifisten« vor die Tür zu setzen. Als der erste autonome Haudegen verschlafen in den Hörsaal linste, war Mechtersheimers Vortrag fast vorbei. Micha Schulze

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