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VON DER COUCH-POTATOE ZUM WATCH-MASTER Von Mathias Bröckers

Kinder halten die Eltern jung— schon indem sie sie zwingen, sich mit Fernsehsendungen auseinanderzusetzen, auf die sie ohne die lieben Kleinen nie gekommen wären. Nun mag es ja sein, daß es Millionen kinderloser Erwachsene gibt, denen es per se gar nicht infantil genug zugehen kann und die sich im Dschungel des Vorabendprogramms mit schlafwandlerischer Sicherheit ganz allein zurechtfinden. Mir, muß ich gestehen, wären ohne die Lotsendienste der Kinder Kulturgüter wie „Hop oder Top“ und „Koffer-Hoffer“, „Das A-Team“ oder Michael Knight auf ewig verborgen geblieben. Nicht, daß das weiter schlimm wäre, es soll ja auch Leute geben, die noch nie bei McDonald's waren, und man kann nun wahrlich nicht behaupten, daß ihnen deswegen ein gastronomisches Highlight entgangen sei. Kulturell freilich leben sie ein bißchen hinterm Mond — wenn Millionen von Kids von Peking bis Posemuckel auf irgend etwas abfahren, grenzt es an Alters-Starrsinn, nicht einmal irgendeinen Fühler in diese Richtung auszustrecken. Das heißt ja nicht, daß man nun auf jede neue Geschmacksverirrung voll einsteigen soll — nichts peinlicher als der alte Sack, der jeden Trend riecht, sobald er vorbei ist — aber sondierend die Witterung aufnehmen, die Antennen für die Schwingung offenhalten, auf der die Jugend tickt, ist quasi erste Kosmopoliten- Pflicht. Und es gibt dabei einiges zu entdecken. Zum Beispiel die Fernsehidee der Zukunft: TV als absolut selbstrefrentielles System. Die Rede ist von der Sendung „Showmaster“, deren Kandidaten vor den Augen des Publikums die Moderatoren-Prüfung ablegen. Der erfolgreichste Kandidat mutiert zum Showmaster von morgen. Eine zweifellos geniale Idee: das Fernsehen züchtet auf der Kandidaten-Bank gleichsam seinen eigenen Nachwuchs, und Altmeister des lügenden Gewerbes wie Roberto Blanco spielen auf der Jury-Bank Geburtshelfer. Die Kandidaten müssen mit einem „Promi“ plaudern, ein Hüpfspiel desselben moderieren und dürfen nicht vergessen, nach dem guten Zweck dieses Unsinns zu fragen. In einem (aufgezeichneten) Anti- Werbespot müssen sie satirische Spontanität beweisen und dürfen in einer mit schwerem Ballett-Einsatz inszenierten Performance ihr Showtalent probieren. Das hat etwas von „Mini Playback Show“, jenem „Tutti Frutti“ für Pädophile, in der Kinder in rattenscharfen Kostümen einen Popstar imitieren — vom künftigen Showmaster wird allerdings verlangt, daß er live singt. Zugegeben, wer Sendungen wie „Showmaster“ versäumt, hat nichts verpaßt, zumal der Master jener Show wegen Schleimigkeit schon durch die Vorprüfungen seiner eigenen Sendung durchgefallen sein müßte. Und obwohl einem dieser Stuß gehörig auf die Nuß gehen kann, lauert hier die definitive TV-Game-Show schlechthin. Denn es wird nicht reichen, daß sich das Fernsehen nur die Playback- Hupfdohlen und Moderations-Smarties heranzüchtet — mit Mastern allein ist es bei der Show nicht getan, es braucht, bei zunehmender Konkurrenz, vor allem Knechte, die sich den ganzen Scheiß willig anschauen und so für Einschaltquote sorgen. Die aber wird ohne die ultimative Game- Show „Zuschauer“ nicht zu haben sein: Zuschauer spielen Fernseh-Zuschauen, und alle schauen zu. Ob Fernsehen damit zur „buddhistischen Maschine“ (Enzensberger) oder „=Hitler“ (Enzensberger) wird, diese Frage möchte ich für heute den Zuschauerinnen und Zuschauern überlassen.

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