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Die böswilligen Nachbarn der CSFR

■ Bayerns Ministerpräsident Streibl und Sudetendeutsche lehnen den Nachbarschaftsvertrag scharf ab

München (ap) — In scharfer Form hat Bayern Widerstand gegen den Nachbarschaftsvertrag mit der CSFR im Bundesrat angekündigt. Ministerpräsident Max Streibl sagte am Pfingstsonntag in München vor 100.000 Sudetendeutschen aus aller Welt, obwohl der Vertrag eine Reihe Fortschritte bringe, blieben dennoch zu viele rechtliche Unklarheiten. Der CSU-Vorsitzende Theo Waigel forderte die Prager Regierung auf, den Sudetendeutschen die Chance zur Mitwirkung beim Aufbau der CSFR zu geben: „Das wäre das beste Konjunkturprogramm, das die Tschechen erreichen könnten.“

Immer wieder von Beifall unterbrochen, sagte Streibl im Hinblick auf die noch ausstehende Beratung im Bundesrat: „Wir wollen ein gutes Verhältnis zu unseren Nachbarn, aber nicht zu Lasten unserer sudetendeutschen Landsleute. Daher können wir dem Vertrag nicht zustimmen.“ Der 43. Sudetendeutsche Tag in der bayerischen Hauptstadt stand unter dem Motto „Recht dient dem Frieden“.

Heftig kritisierten die CSU-Politiker Streibl und Waigel den von der CSFR dem Vertrag beigegebenen „Motivenbericht“. Er sei „ein Schlag ins Gesicht aller, die an die Überwindung der kommunistischen Denkweise vor 1989 geglaubt hatten“, sagte Streibl. Waigel sprach von einer Provokation. Die im Bericht gemachten Ausführungen über Vermögenskonfiskation und künftige Entschädigungsleistungen sowie das Rückkehrrecht der Sudetendeutschen seien „nicht dazu angetan, ein neues vertrauensvolles Verhältnis frei von Zweifeln aufzubauen“.

Mit noch schärferen Worten als Streibl wandte sich der Sprecher der Sudetendeutschen, der frühere bayerische Staatsminister Franz Neubauer, gegen den Vertrag und vor allem den „Motivenbericht“. Auf unerhörte Weise werde darin versucht, die völkerrechtswidrige Vertreibung der sudetendeutschen Volksgruppe und den „Raub unseres in Jahrhunderten hart erarbeiteten Vermögens“ als legitim darzustellen.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD, Wolfgang Thierse, forderte eine abschließende Regelung, damit Deutsche in der CSFR keine Eigentumsansprüche mehr stellen könnten. Er halte es für „unerträglich, daß dieser wunderbare Neuanfang in Osteuropa durch Schatten der Vergangenheit belastet wird“. Ansprüche auf Eigentumstitel, die vor vierzig bis fünfzig Jahren aufgrund geschichtlicher Entwicklungen verlorengegangen seien, dürften den Neuanfang jetzt nicht beschädigen, zumal „die Deutschen eher schuldhaft beteiligt waren“.

Der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Ulrich Irmer, kritisierte am Montag die ablehnende Haltung Streibls zum Nachbarschaftsvertrag scharf. „Nun läßt die CSU die Maske fallen. Streibls Ankündigung ist eine vierfache Kriegserklärung: gegen die Chancen der Demokratie in der CSFR, gegen die Mehrheit der eigenen Landesgruppe im Deutschen Bundestag und schließlich gegen die Sudetendeutschen selbst“, sagte er in München.

Ebenfalls am Pfingstwochenende hielten die Banater Schwaben in Ulm und die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl ihre traditionellen Treffen mit jeweils rund 20.000 Teilnehmern ab.

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