NACHRUF: Mit Offenheit gegen politisch-islamische Strömungen
■ Der ägyptische Publizist und Kritiker des politischen Islam, Farag Foda, wurde auf offener Straße in Kairo erschossen
Berlin (taz) — Ein offener Dialog und eine politische Auseinandersetzung mit den Vertretern des politischen Islam, das war eine der politischen Hauptforderungen des ägyptischen Publizisten Farag Ali Foda. Zumindest Foda selbst wird an einem solchen Dialog, sollte er jemals stattfinden, nicht mehr teilnehmen können. In der Nacht zum Dienstag wurde der 54jährige Schriftsteller auf offener Straße in Kairo erschossen. Zwei Männer haben ihn von einem Motorrad aus mit Maschinenpistolen niedergeschossen. Laut der ägyptischen Tageszeitung 'Al-Ahram‘ habe ein anschließend Verhafteter den Mord gestanden und sich als Führer der islamistischen Untergrundgruppe Gihad bezeichnet. Seine Organisation hätte vor einem Monat beschlossen, prominente ägyptische Persönlichkeiten umzubringen, die sich als Gegner des Islam hervortäten, zitierte das Blatt den Verhafteten.
Wer Foda in den letzten Jahren in seiner Parterre-Wohnung im „Bessere-Leute-Viertel“ Heliopolis in Kairo einen Besuch abstattete, dem wurde schnell jenes beklemmende Gefühl bewußt, mit dem dieser Mensch seine publizistischen und politischen Aktivitäten bezahlt haben muß. Die Mauern um seinen Vorgarten waren nach oben gezogen worden — vor seiner Wohnungstür wachte ein Wächter um Fodas Leben. Im Gespräch zeigte er sich dennoch relativ gelassen über die Möglichkeit, eines Tages Opfer eines Anschlages von seiten militanter Islamisten zu werden.
Der gelernte Agraringenieur begann seine politische Karierre 1978 in der bürgerlich-liberalen Wafd-Partei. Als diese sechs Jahre darauf in den Parlamentswahlen aus wahltaktischen Gründen mit den islamistischen Moslembrüdern ein Bündnis einging, trat Foda aus Protest aus. Fortan propagierte er seine Positionen als parteiunabhängiger Einzelkämpfer. In seinen sechs veröffentlichten Büchern und zahlreichen Artikeln befaßte er sich vor allem mit dem Phänomen des „politischen Islam“. Von militanten Kleingruppen bis hin zu islamischen Wirtschaftsunternehmen, sie alle wurden von Foda mit einer Mischung aus Analyse und der für Ägypten oft typischen Satire abgehandelt.
Politischer Islam, das war, wie die Islamwissenschaftlerin Bettina Dennerlein in einer Studie beschreibt, für Foda dem Wesen nach ein politisches Phänomen, das sich religiös artikulierte. Politische Ziele würden hier nur in der Sprache der Religion formuliert.
Als Rezept gegen diese Politisierung der Religion sah Foda vor allem die Offenheit. Politischer Islam, das war für Foda keine Frage der „Inneren Sicherheit“, und auch der in Ägypten seit Jahren verhängte Ausnahmezustand war für ihn nicht geeignet, eine tatsächliche politische Auseinandersetzung mit den politisch-islamistischen Gruppen zu ersetzen. Nur mit demokratischen Traditionen, Toleranz und Diskussionsfähigkeit glaubte Foda diesen beizukommen. Um hier einen Beitrag zu leisten, setzte er sich mit der Verherrlichung der frühislamischen Geschichte auseinander. Mit Hilfe einer rationalen Geschichtsschreibung wollte Foda den Traum von der Möglichkeit eines gerechten Kalifats der Gegenwart zerstören. Er ging sogar noch weiter. Selber ein gläubiger Moslem, war die Trennung von Staat und Religion für Foda eine Voraussetzung für den Erhalt des Islam. Die im Islam angelegte Vielfältigkeit der Interpretationen kann allein in einem Staat gewährleistet werden, der sich auf nichtreligiöse Grundlagen stützt. Trotzdem glaubt Foda, daß die Religion in der ägyptischen Gesellschaft eine zentrale Rolle spielen müsse. Doch die gesellschaftlichen Aufgaben der Religion seien in vom Staat getrennten religiösen Institutionen besser aufgehoben.
Trotzdem müsse der Staat nach Fodas Meinung die islamistischen Gruppen offen agieren lassen. Seine Devise: wenn diese Gruppen erst gezwungen sind, ein Programm vorzulegen, mit dem sie die konkreten Probleme Ägyptens lösen wollen, dann schlägt für sie schnell die Stunde der Wahrheit. „Der Islam ist die Lösung“, dieser Slogan der Islamisten müßte dann auf seine alltägliche Richtigkeit geprüft werden. Doch der ägyptische Staat ignorierte den einsamen Rufer in der Wüste, und die militanten islamistischen Gruppen setzten ihn auf ihre Todesliste. Wer wird es da noch in Zukunft wie Farag Foda wagen, gegen die Ignoranz und Militanz sein Leben zu riskieren? Karim El-Gawhary
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