: Vermißter Junge ermordet aufgefunden
■ Sechs Messerstiche in der Brust — Sonderkommission sucht etwa 30jährigen Mann — Serientäter?
Der sechsjährige Michael Reinecke aus Sanne in Sachsen-Anhalt ist ermordet worden. Der seit elf Tagen vermißte Junge fiel möglicherweise einem Serientäter aus dem Raum Celle zum Opfer. Seine am Dienstag abend in einem Wald bei Celle entdeckte Leiche weist mit sechs Messereinstichen in der Brust ähnliche Verletzungen auf wie die des im März bei Celle ermordet aufgefundenen neunjährigen Rudolf Bröckel. Die Polizei sucht nun fieberhaft nach einem etwa 30 Jahre alten Mann und seinem blau-grauen Opel-Kadett D mit Kennzeichen Celle.
Zeugen hatten am 30. Mai gegen 18.00 Uhr beobachtet, wie der kleine Michael in das Auto des Mannes gestiegen war. Eine Frau hatte später bei Salzwedel dasselbe Auto mit einem um Hilfe schreienden Jungen gesehen. Eine Sofortfahndung war aber erfolglos geblieben. Nach der Veröffentlichung von Phantombildern des mutmaßlichen Täters liegen inzwischen bei der in Celle gebildeten 70köpfigen Sonderkommission etwa 90 Hinweise vor. Außerdem werden sämtliche Kadett-Halter im Raum Celle überprüft.
Die teilweise skelettierte Leiche des kleinen Michael hatte ein Autofahrer am Dienstag abend in einem Wald bei Celle entdeckt. Spezialisten der Kriminalpolizei sicherten am Mittwoch morgen Spuren am Tatort. Eine erste Obduktion des Toten ergab noch keine konkrete Todesursache. Vermutlich ist Michael aber an den sechs Messerstichen in die Brust gestorben. Weil die Leiche bereits stark verwest ist, geht die Polizei davon aus, daß der sechsjährige relativ bald nach seiner Entführung am 30. Mai getötet wurde.
Bundeskriminalamt: 1990 wurden 31 Kinder ermordet, derzeit werden 1.200 Kinder vermißt
Die Polizei vermutet, daß der Mörder von Michael auch für den Mord an dem neunjährigen Rudolf Böckel aus Altencelle verantwortlich ist, der Ende März dieses Jahres bei Celle tot aufgefunden wurde. Auch der kleine Rudolf war als vermißt gemeldet worden. Seine Leiche wies Messerstiche und Spuren sexuellen Mißbrauchs auf. Beide Leichenfundorte liegen nur fünf Kilometer auseinander. Dagegen besteht zu einem dritten Mord an einem 13jährigen Junge, dessen Leiche Anfang Mai bei Verden tot aufgefunden wurde, kein Zusammenhang. Hier wird ein 23jähriger Aurel B. polizeilich gesucht.
Immer wieder werden Kinder Opfer von Gewaltverbrechen. 1990 sind nach Angaben des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden vom Mittwoch 31 Kinder im Alter bis zu 14 Jahren ermordet worden. Darin enthalten sind auch Sexualmorde. 1990 gab es insgesamt 416 Morde.
Bei der Polizei werden jährlich zwischen 12.000 und 13.000 Fälle (alte Bundesländer) von sexuellem Mißbrauch von Kindern bekannt. Doch rechnen Experten mit einer hohen Dunkelziffer und etwa 300 000 Fällen — darunter etwa 120 000 Jungen — jedes Jahr. Dabei ist bei sexuellem Mißbrauch der „böse, fremde Onkel“ nur in etwa sechs Prozent aller Fälle der Täter. Oft sind Familienangehörige oder Nachbarn die Täter.
Nach BKA-Angaben werden derzeit etwa 1.200 Kinder bundesweit vermißt. Dabei könne es sein, daß die Kinder in „einigen Fällen auch tot im Wald liegen“.
Bei Kindesentführungen sind seit Ende der fünfziger Jahre in Deutschland mindestens 15 Kinder im Alter von einem bis zu 16 Jahren ermordet worden. Die Täter wurden in fast allen Fällen gefaßt. dpa
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