: »Mein Kampf« für US-Soldaten
■ In Deutschland verboten, in der amerikanischen Buchhandlung auf dem Ladentisch
In einem Buchladen der amerikanischen Streitkräfte auf der Clayallee wird Adolf Hitlers Machwerk Mein Kampf für knapp zehn Dollar verkauft. Wie der Sender Freies Berlin in der Abendschau informierte, standen schon einmal, nämlich 1988, die Paperbacks im Regal. Damals wurde das Buch, dessen Verbreitung in Deutschland wegen seines völkerverhetzenden Charakters verboten ist, aufgrund des Berichts des Journalisten Christian Walther zurückgezogen. Interventiert hatte auch der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Heinz Galinski. Von der US-Behörde in Berlin war laut SFB zunächst keine Stellungnahme zu bekommen.
Auf Anfrage der taz erklärte sich gestern die Pressestelle der US-Streitkräfte für den Vertrieb des Buches nicht verantwortlich. Der Buchladen werde geführt von dem halboffiziellen Nachrichtenblatt 'Stars and Stripes‘, mit Sitz in Darmstadt. Im übrigen sei Mein Kampf in den USA nicht verboten und in Berlin nur für Angehörige der Streitkräfte erhältlich. Im zuständigen Büro des Eastern und European Manager von 'Stars and Stripes‘ arbeitete gestern nur der Telefonanrufbeantworter.
Gegen den Verkauf der ehemaligen Nazi-Bibel in Deutschland wird »mit Sicherheit« das bayerische Finanzministerium einschreiten. Das sagte der Regierungsrat Stefan Pietzke. Das Ministerium verwaltet das Vermögen der 1945 verbotenen NSDAP und auch die Verlagsrechte für Mein Kampf. Seine Hauptarbeit besteht darin, weltweite Nachdrucke zu verhindern, »um das Ansehen der Bundesrepublik nicht zu versauen«. Sein Ministerium habe auch 1988 zusammen mit der bayerischen Staatskanzlei — die den Kontakt mit den Stationierungstruppen hält — erreicht, daß das Buch vom deutschen Markt verschwand. »Jetzt müssen wir eben wieder tätig werden«, sagte Pietzke. Hausintern werde derzeit überlegt, ob der Freistaat beim Auswärtigen Amt nicht erreichen könne, daß im Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut eine weitere Verbreitung nicht ausdrücklich verboten werde.
Nicht zu vereiteln ist allerdings, daß das Werk in Amerika verkauft wird. Denn 1933 verscherbelten die Nazis die Abdruckrechte an einen kleinen amerikanischen Verlag. In den USA wurde das Buch niemals verboten und ist auch heute mit einer sechsseitigen Einführung in jeder einschlägigen Buchhandlung zu haben. Andere Länder scheren sich überhaupt nicht um Urheberrechte oder die Rechtslage. In Polen wird seit einem halben Jahr mit großem Erfolg ein Raubdruck verkauft. Er kostet umgerechnet vier Mark. Die deutsche Ausgabe können nur Wissenschaftler mit extra Genehmigungen aus dem Giftschränken der Bibliotheken ausleihen. In deutschen Antiquariaten geht das Machwerk gelegentlich schwarz für Preise zwischen 100 und 1.000 Mark über den Ladentisch. Anita Kugler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen