piwik no script img

FDP-Chefin: Ampelkoalition möglich

■ Carola von Braun: Die Große Koalition läßt sich nur im Bündnis mit der SPD und den Grünen ablösen/ »Es geht um das Überleben der FDP«/ Auf lange Sicht »erhebliche Vorbehalte« gegenüber der AL

Berlin. Nicht nur in den Bezirksparlamenten liebäugelt die FDP seit den Kommunalwahlen mit der früher ungeliebten AL. Auch auf Landesebene ist eine Ampelkoalition mit SPD und AL/Bündnis 90 für die FDP kein Tabu mehr. Um die regierende Senatskoalition aus CDU und SPD abzulösen, wäre nach Neuwahlen eine Ampelkoalition »das einzig mögliche«, sagte jetzt die FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende Carola von Braun in einem Gespräch mit der taz. Gegenüber der AL gebe es zwar »mit Sicherheit auf lange Sicht« noch »erhebliche Vorbehalte«. Eine »gewisse Nähe« hätten die Liberalen jedoch zum Bündnis 90 entdeckt, das im nächsten Jahr mit den Grünen fusionieren will. Möglicherweise bilde sich in den nächsten Jahren auch eine neue Partei, die als Koalitionspartner in Frage komme.

Auf seiten der Alternativen Liste hatte der Vize-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Wieland schon im März eine Diskussion über die Ampel angestoßen. Die FDP hatte bislang stets erklärt, ein Bündnis mit SPD und Grünen sei kein Thema. Nun nimmt Parteichefin von Braun die Ergebnisse der Kommunalwahlen zum Anlaß für neue strategische Überlegungen.

Sowohl CDU wie SPD müßten sich auf längere Sicht »darauf einrichten«, unter 40 Prozent zu bleiben, glaubt die Vorsitzende. Das bedeute, daß es in Berlin in den nächsten Jahren keine Mehrheit für eine bürgerliche Koalition aus CDU und FDP geben werde. Bei den Kommunalwahlen, so von Brauns Rechnung, hätten CDU und FDP gemeinsam nur 32 Prozent der Stimmen hinter sich vereint. Im Ostteil seien es mit 18 Prozent sogar deutlich weniger als ein Viertel der Wähler gewesen.

Die FDP muß nach Ansicht der Parteichefin nun vor allem ihre eigene Existenzberechtigung neu nachweisen. »Es geht um das Überleben der FDP«, mahnt von Braun. Ihr wirtschaftspolitisches Profil der 80er Jahre reiche nicht mehr aus. Zu den beherrschenden Fragen der nächsten Jahre — Wohnungs- und Arbeitsmarktpolitik sowie Innere Sicherheit — biete die FDP noch keine »ausreichenden Antworten«.

Die FDP-Chefin will weg von der reinen marktwirtschaftlichen Lehre. So müßten sich die Liberalen an den Gedanken gewöhnen, daß in Ostdeutschland und Ost-Berlin noch »auf lange Sicht staatliche Arbeitsförderungsmaßnahmen nötig« seien. Im Wohnungsbau müsse es in den nächsten Jahren gelingen, große Kapitalgeber zu Investitionen zu motivieren. Sonst müßten die Liberalen auch hier umdenken. Von Braun: »Wenn es keinen funktionierenden Wohnungsmarkt mehr gibt, dann greifen auch marktwirtschaftliche Mittel nicht mehr.« Die Berliner FDP komme überhaupt nicht umhin, sich den Realitäten in Ostdeutschland zu stellen, meint die Parteichefin: »Wir haben Parteifunktionäre in führenden Positionen, die arbeitslos sind. In Baden-Württemberg gibt es so etwas nicht.« hmt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen