: „DIE HOHE KUNST DES DINIERENS VON DER MÜLLHALDE“
Videos gegen Brechreiz
Garden Grove (ap) — Ein Video für Obdachlose, das vor Lebensmittelvergiftung beim Durchforsten nach Eßbarem auf Müllhalden warnt, ist in Europa auf einiges Interesse und in den Vereinigten Staaten auf erhebliche Kritik gestoßen. Das Video ist das fünfte in einer Serie von sieben für Obdachlose und wurde auch im Kabelfernsehen gezeigt. Darin diskutiert die ehemalige Krankenschwester und Produzentin der Serie, Linda Dunlap, mit einem Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde im kalifornischen Orange County die Gefahren des Verzehrs von Lebensmitteln aus dem Müll. „The Fine Art of Dumpster Dining“ (etwa „Die Kunst des Dinierens von der Halde“) erklärt dem Betrachter, wie fortgeworfene Lebensmittel durch Chemikalien, Ratten, Mäuse oder Bakterien, Glas, Holzreste, Metallsplitter, Rasierklingen und Zigarettenstummel verseucht sein können. In einer Szene demonstriert der Moderator zwei Obdachlosen an einer Mülltonne, wie Obst oder Gemüse mit dicken, unversehrten Schalen nach sorgfältigem Waschen noch verzehrt werden können. Kritiker erklärten dazu, das Video ermutige zur riskanten Nahrungssuche. „Ich glaube, es ist unmoralisch, Menschen beizubringen, in tödlichem, gefährlichem, verrottendem Müll nach Lebensmitteln zu suchen“, sagte Betsy Hart von der Heritage-Stiftung in Washington. Frau Dunlap, die das Video zusammen mit ihrem Mann David produziert hat, entgegnete, das Video enthalte 54 Hinweise darauf, wie die Nahrungssuche auf Müllhalden vermieden werden könne. Aber es sei nun einmal eine Tatsache, daß Obdachlose häufig auf diese Weise ihre Nahrung fänden. „Alles was wir tun, ist, den Obdachlosen ein wenig beim Überleben zu helfen“, sagte Frau Dunlap. „Es ist eine Anklage gegen Amerika. Das ist vermutlich der Grund, warum sich die Leute aufregen.“ Das Video wurde kostenlos oder für einen kleinen Betrag an über 30 Obdachlosenheime und Obdachlosengruppen versandt. Europäische Organisationen hätten es ebenfalls angefordert, sagte Frau Dunlap. Proteine stellen die größte Gefahr dar, erklärt Frau Dunlap den Zuschauern. Innerhalb von zwei Stunden können bei warmem Wetter in geschlossenen Mülltonnen Bakterien auf Fleisch, Milch und anderen Molkereiprodukten wachsen. Sie bewirkten Fleischvergiftungen, Bazillenruhr oder Salmonellenvergiftung. Die Symptome wie Schwindel und Brechreiz könnten für Grippe gehalten werden, erklärt Frau Dunlap. Das Video löste einige Aufregung bei einer Konferenz des Kalifornischen Hungeraktionskomitees in Berkeley aus. „Die Leute waren schockiert und erbost“, sagte Mark Lowry, Verpflegungsdienstleiter des Gemeindeentwicklungsrates in Costa Mesa.
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