GASTKOMMENTAR
: Kein Instrument der Politik

■ Der Polizeipräsident braucht politische Unabhängigkeit

Die Verfassung von Berlin schreibt in Artikel 44 vor, daß der Polizeipräsident auf Vorschlag des Senats vom Abgeordnetenhaus gewählt und abberufen wird. Die Verfassungsväter, auch unter dem Eindruck der Hoheit der Alliierten, wollten dem Amt damit eine politische Bedeutung gegen, die Veranwortung gegenüber dem Parlament mit der Abhängigkeit von der Tagespolitik des Senats ausbalanciert. Ein Machtinstrument der Regierung sollte die Polizei nie sein. Das zu begreifen, fällt jeder konservativen Partei schwer. Für den Bürger hat die Polizei als zivile Ordnungsbehörde Sicherheit zu produzieren.

An ihre Spitze gehört deshalb ein Mensch, der ein Konzept für innere Sicherheit mitbringt und als Manager die Fähigkeit hat, Prioritäten beim Einsatz von Personal und Sachmitteln zu setzen. Er darf weder ein Mandarin des Senats noch der oberste Sachvertreter der Interessen der Polizisten sein. Schon deshalb muß er Positionen zwischen Baum und Borke nicht als ungewöhnlich empfinden.

Schließlich ist sein Handeln oder Nichthandeln stets prächtiges Medienfutter. Kurzatmigen Wünschen der Tagespolitik muß er ebenso respektlos gegenübertreten wie der veröffentlichten Meinung, denn die Zahl seiner Kritiker ergibt sich aus dem Unterhaltungswert des Zustandes der öffentlichen Sicherheit.

Die Eigenständigkeit einer unabhängigen Sicherheitspolitik muß sich nicht zuletzt auch in der Zähigkeit ausprägen, die eigene Meinung zur Personalpolitik ein-, letztendlich durchzusetzen. Gegen interessenpolitische Anfechtungen ist ein Senatsmitglied weniger gefeit als ein verfassungsmäßig mit Verantwortung ausgestatteter Polizeipräsident. Dazu gehört auch ein unbeirrbarer Durchsetzungswille zur organisatorischen, innovativen Gestaltung der Polizeibehörde als Instrument der Verbrechensbekämpfung in Verbindung mit allen anderen Ordnungsaufgaben, bis zum Sisyphuskampf mit dem Moloch Straßenverkehr.

Nur wer das alles im Griff hat, kann dem Senat auch in Stunden brisantester Entscheidungen sagen, wie die Polizei in Großeinsätzen agieren und reagieren will und muß. Wer Gewalt auf der Straße nur mit Gegengewalt niederringen will, mag zwar vor dem Ausbruch der Straßenschlacht den Beifall der Politik und des Publikums haben. Dem zu widerstehen, bringt ihm jenes kostbare Gefühl der absoluten Einsamkeit, denn die Politik giert immer nach der positiven Schlagzeile des nächsten Tages.

Die Verfassung von Berlin verspricht dem Polizeipräsidenten statt wohlfeiler Popularität eine wohlverstandene politische Unabhängigkeit, mit dem Preis von Wahl und Abwahl. So soll es bleiben. Klaus Hübner

Der Autor war Polizeipräsident von 1968 bis 1987. Auch der Sozialdemokrat Hübner war nach einer mehr als einjährigen Kampagne des damaligen Innensenators Wilhelm Kewenig (CDU) zurückgetreten. Er erklärte damals, er lasse sich »nicht zum Hampelmann machen« und warf dem Senat vor, die Polizei zum Handlanger der Politik degradieren zu wollen