: DIE KLEINE MEDIENPRAXIS — FRAGEN SIE FRAU DR. MONIKA
Findige Köpfe müssen am Werk sein bei der einstigen sowjetischen Nachrichtenagentur 'Tass‘. Spätestens nachdem ein Haufen Unverbesserlicher nach einem Jonny-Walker-Gelage versuchte, den Mann mit der Landkarte von Afghanistan auf dem Kopf in Rente zu schicken, sich dieser Jelzin in Moskau auf einen Panzer schwingen konnte und zum bitteren Ende aus der Sowjetunion GUS-Land wurde, war bei den 'Tass‘lern Erfindungsgeist gefragt. Anpassung heißt Untergang, stellten sie schnell fest, nachdem sie die Schicksale ihrer Kollegen aus Genosse Erichs versenktem Arbeiter- und Bauernstaat betrachteten.
Ein großer Teil der hauptamtlichen Erfolgsvermelder sitzt entweder in EDV-Umschulungskursen, büffelt das kryptische neue Steuerrecht oder träumt davon, in dem neuen Job als Versicherungsvertreter genauso erfogreich zu werden wie Herr Kaiser von der Hamburg- Mannheimer.
Was verkauft sich besser als sozialistische Antiquitäten, muß einer gesagt haben. Am besten, wir bleiben wie der Genosse Karl-Eduard von Schnitzler unserem alten Stil treu und tun so, als ob gar nichts gewesen sei. Darauf steh'n die im Westen, muß er weiter gesagt haben, denn wie Ihr seht, hat der Schnitzler schließlich eine eigene Zeitschriftenkolumne bekommen.
Jetzt heißt die Agentur 'Itar-Tass‘ und beglückt die Redakteure im Westen mit solch kunstvoll geschmiedeten Sätzen wie:
„In einer Stellungsnahme zu dem vor einigen Tagen unterzeichneten Vertrag über die Grundlagen der zwischenstaatlichen Beziehungen, Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen der Russischen Föderation und der Republik Usbekistan äußerte Islam Karimow die Hoffnung, daß dieses Dokument von historischer Bedeutung zum Ausgangspunkt für qualitativ neue, gleichberechtigte, beiderseits vorteilhafte, mannigfaltige und tiefgreifende Beziehungen zu unseren beiden Staaten wird.“
Recht haben sie gehabt, die Journalisten der 'Tass‘, denn nichts erfreut Nachrichtenredakteure mehr als diese Art von Meldungen, die sich nicht nur wohltuend von der schnöden Einheitssprache der anderen Presseagenturen abhebt, sondern auch zur Steigerung der Spannung auf Überschriften verzichtet. Während 'dpa‘ schlicht und banal meldet, daß Rußland „nach Angaben aus Moskau seine Truppen an der finnischen Grenze reduzieren will“, lautet die gleiche Nachricht bei 'Itar- Tass‘: „Die Gruppierung der Landstreitkräfte im Raum der Russischen- Finnischen Grenze wird im Ergebnis der Militärreform reduziert. Das teilte der Sprecher des russischen Außenministeriums, Sergeij Jastreshembski, am Dienstag auf einem Briefing in Moskau mit.“
Tja, gelernt ist nun mal gelernt. Damit Sie endgültig auf den Geschmack an den großartigen Werken der 'Tass‘ler kommen, hier noch ein kleines Meisterstück der letzten Woche: „Der Beschluß des Russischen Parlamentes über die Aufhebung der Beschlüsse von 1954 über die Übergabe der Krim an die Ukraine hat keine juristische Bedeutung und führt zu keinen rechtlichen Folgen für die Ukraine.“
Wenn Sie wirklich ein Herz für Rußland haben, dann zeigen Sie den Moskauer Sprachkünstlern durch ein 'Itar-Tass‘-Abo, daß sie auf dem richtigen Weg sind.
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