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■ „Ars Pro Domo“ zeigt zeitgenössische Werke aus Privatbesitz

Kürzlich schwärmte ein Aachener Sammler von Deutschlands größtem Kunstraum: Er liege recht unscheinbar etwas außerhalb von Köln und beherberge so ziemlich alles, was man sich nur vorstellen könne. Ein vollklimatisiertes und gutabgesichertes Lagerhaus, in dem die zahlreichen ortsansässigen Sammler ihre Schätze horten. Staubfrei eingepackt in Bläschenfolie und platzsparend zusammengerückt harren die Kunstwerke ihrer Wertsteigerung, Versteigerung oder Beschickung auf Wanderausstellungen. Eine freigewordene Wand im Büro oder ein Platz vor dem Kamin des Besitzers erlöst die Tafelbilder, Antiquitäten, Skulpturen und Grafiken von der Verwahrung im Hochsicherheitstrakt Frechen. Im Depot wird Zeit totgeschlagen, um aus so gewonnenen Raritäten Geld zu machen, die spontane Begeisterung für den nüchternen zweiten Blick abkühlen zu lassen oder Abstand zur Gegenwärtigkeit zeitgenössischer Kunst zu gewinnen. Denn nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer.

Zum zweiten Mal lädt das Kölner Museum der Sammlereheleute Ludwig andere Sammler ein, ihre Schätze aufzudecken. Vor vier Jahren präsentierte der inzwischen sechzigjährige Galerist Rudolf Zwirner Werke seiner Generation; nunmehr zieht der Kritiker Wilfried Dickhoff (39) mit seinen Altersgenossen ins Museum ein. Sein sogenanntes „Ausstellungs-Essay“ Ars Pro Domo repetiert diejenigen namhaften Künstler des vergangenen Jahrzehnts, welche Kölner Galeristen an ihre heimischen Kunden bringen konnten. Mit Schöner-Wohnen-Fotos demonstriert der Katalog, wo und wie die vorübergehend im Museum ausgestellten Arbeiten normalerweise hängen, stehen oder liegen: Viel Parkettboden, Bücher, offene Kamine und Designermobiliar ist darauf abgebildet; einiges befindet sich aber auch im Schwimmbad, auf der Toilette oder im Gästezimmer. Das Depot in Frechen — Hort der restlichen Ars Pro Domo-Arbeiten— erwähnt der Katalog nur ganz verschämt in der Dankesliste am Ende.

Das „Kompliment an die Kölner Sammlung“, ja an „die ganze Kölner Kunstscene“ (so Dieckhoffs Kumpeldeutsch), gerinnt zur Selbstfeier. „Diese Ausstellung ist Audsruck für das die Kölner Kunstszene bestimmende, international angebundene Netz von Künstlern, Galeristen, Sammlern, Kunstverein und Kunstmarkt, die alle zusammen zu einer Zusammenarbeit mit dem Museum Ludwig bereit sind.“ So umschreibt Rolf Hoffmann, Vorsitzender der die Schau finanzierenden „Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig“, den kölschen Kunst-Klüngel und vergißt als weiteren Mitspieler eigentlich nur die beifallspendende Kunstberichterstattung. So ins positive Licht gerückt, profitieren alle davon; wie bei den Olympischen Spielen gibt es für jeden Beteiligten nur Gewinne. Für jeden fällt etwas Glanz ab, sieht man einmal von den ausgeschlossenen Dritten, nämlich den Eintritt oder Subventionen Zahlenden, ab.

„Sammeln macht krank“, meint Rainer Speck in seinem Katalogbeitrag. Als prominenter Kunstsammler muß er's wissen. Zerrt Ars Pro Domo also das Suchtverhalten der Kunst-Junkies ans Tageslicht? Oder soll vielmehr das über eine limitierte Dauer An-die-Öffentlichkeit-bringen der Artefakte aus Depots und Eigen-Heimen den wohlhabenden Bürgern schmeicheln? Kurator Dieckmann gibt in einem Selbstinterview beeindruckt zu Protokoll, daß es bei den Sammlern „keine materiellen Schallgrenzen für den Erwerb von Kunstwerken“ gäbe. Genau diese Huldigung des unlimitierten Privatbesitzes — gönnerhaft und befristet zum Anschauen freigegeben— macht die Ausstellung so unerträglich. Jochen Becker

Bis zum 9. August mit Arbeiten von Anzinger, Baechler, Basquiat, Bickerton, Bleckner, Condo, Dahn, Dokoupil, Dumas, Fischli/ Weiss, Förg, Fritsch, Gober, Herold, Holzer, Kasseböhmer, Kelley, Kiecol, Kippenberger, Kruger, Lawler, Mucha, A. Oehlen, Prince, Schulze, Sherman, Struth, Taaffe, Trockel, West und Wool.

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